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Gondeln aus Glas

Gondeln aus Glas

Titel: Gondeln aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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sollte.
    «Liefern Sie mir doch», sagte Spaur, dessen Augen jetzt einen lüsternen Glanz hatten – vielleicht, weil er an das geheimnisvolle Motiv dachte – «eine kurze Skizze des Novellenanfangs.» Der Polizeipräsident machte sich wieder an der hellblauen Gondel zu schaffen.
    Tron räusperte sich. «Eine kurze Skizze?»
    Spaur sah Tron kalt an. «Zwei Kanzleibögen. Drei Finger Rand für Korrekturen, die ich eventuell zusammen mit Signorina Violetta vornehmen werde.»
    Der Ton des Polizeipräsidenten machte deutlich, dass die Unterredung beendet war.

    Tron erhob sich. Beim Gang zur Tür stellte er eine gewisse Steife in seinen Gelenken fest, es kam ihm vor, als hätte er gerade einen Unfall gehabt.
    «Commissario?»
    Tron, der die Hand bereits auf der Klinke hatte, drehte sich um. Würde er jetzt erfahren, um welches geheimnisvolle Motiv es sich handelte? «Ja, Herr Baron?»
    «Ich erwarte», sagte Spaur, «dass dieser Fall, den Sie da bearbeitet haben, jetzt endgültig ab-ge-schlossen ist.» Er sprach die Silben so exakt aus, als würde er einen renitenten Rekruten zur Ordnung rufen.
    Der Blick, den er auf Tron warf, ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.
    «Ich werde auf keinen Fall dulden», fuhr Spaur fort, «dass Sie einem Mann, der mich und Signorina Violetta heute Abend in seine Loge einladen wird, einen Mord unterstellen.»

    «Gratuliere», sagte die Principessa eine Stunde später im Palazzo Balbi-Valier. «Der Tizian ist wieder da, der Großfürst ist unschuldig, und der Mörder ist tot.
    Ein optimales Ergebnis. Ich kann verstehen, dass Spaur glücklich ist.»
    Tron hatte es für besser gehalten, vor seinem Besuch bei Konstancja Potocki bei der Principessa vorbeizuschauen – schon um sicher zu sein, dass sie nicht für heute Abend einen überraschenden Termin hatte.
    Die Principessa nahm ihren Kneifer von der Nase und lehnte sich auf ihrer Récamiere zurück. «Wann wirst du der Königin das Bild zurückgeben?»
    «Sobald Sivry das Bild untersucht hat», sagte Tron.
    «Er kommt morgen zurück und sagt uns Anfang  nächster Woche, ob es sich um ein Original handelt oder nicht.»
    «Und wenn es das Original ist?»
    «Dann stimmt meine Theorie, und mit dem Tod  von Pater Terenzio ist der Fall abgeschlossen.»
    «An wen wird die Königin es dann verkaufen?»
    «Vermutlich an Sivry.»
    «Der für ein Original deutlich mehr zahlen müsste als für eine Kopie, richtig?»
    «Selbstverständlich.» Tron runzelte die Stirn.
    «Warum fragst du?»
    «Weil Sivry, sagen wir, andeuten könnte, dass es sich um eine Kopie handelt.»
    «Um den Preis zu drücken? Das wird er nicht  tun.»
    «Du vertraust ihm?»
    «Sivry hat mich noch nie betrogen», sagte Tron.
    «Er wird es auch nicht tun.»
    «Einverstanden. Aber was machst du, wenn Sivry feststellt, dass es sich bei dem Gemälde um eine Kopie handelt?»
    Tron zuckte die Achseln. «In diesem Fall könnten wir der Königin nicht das Original zurückgeben.»
    «Womit unsere Chancen sinken, sie auf dem Ball zu sehen», sagte die Principessa. Sie schwang ihre Beine von der Récamiere und setzte sich auf. «Es sei denn, Sivry nimmt es in diesem Fall nicht so genau.
    Er war ja in solchen Fragen immer sehr flexibel.»
    «Was willst du damit sagen?»
    «Dass wir alle davon profitieren würden, wenn es sich bei diesem Bild um das Original handelt», sagte die Principessa. «Und dass Sivry ohnehin die Devise vertritt, dass die …» Sie brach ab und überlegte einen Augenblick.
    Tron sagte: «Dass die Wahrheit den Menschen  dient und nicht die Menschen der Wahrheit?»
    Die Principessa nickte. «Ich wollte es gar nicht so grundsätzlich formulieren, Tron. Jedenfalls sollte Sivry die Situation berücksichtigen, in der er den Tizian untersucht. Und daran denken, dass Echtheit ein relativer Begriff ist.»
    «Das brauchst du ihm nicht zu erklären», sagte Tron. «Das ist seine Geschäftsdevise.»
    «Wann musst du gehen?»
    Tron warf einen Blick auf die Stutzuhr der Principessa, die auf dem Kamin stand. «Sofort», sagte er.
    «Konstancja Potocki erwartet mich um sieben. Und der Gatte auch. Vermutlich werde ich ihm wieder auf der Treppe begegnen.»
    Die Principessa sah Tron neugierig an. «Was sagt der eigentlich zu deinen wöchentlichen Besuchen bei seiner Frau?»
    «Eifersüchtig ist er nicht. Wir plaudern hin und wieder auf der Treppe. Ich mag ihn.»
    «Meinst du, Konstancja Potocki wird sehr ungehalten sein, wenn du ihr das neue Programm erläuterst?»

    «Sie

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