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Gondeln aus Glas

Gondeln aus Glas

Titel: Gondeln aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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kleine Segel nach innen wölbte und die zarten Volants ihres Himmelbettes in kleine, laszive Wellenbewegungen versetzte. Es war jetzt kurz vor halb zwölf, und Tron schätzte, dass sich das – wie war der Ausdruck? – das Zeitfenster spätestens um Mitternacht geschlossen hätte – die Fensterflügel gewissermaßen vor seiner Nase zugefallen wären.
    «Potocki hat indirekt damit gedroht», sagte Tron,
    «Troubetzkoy umzubringen. Weil er nichts mehr zu verlieren habe.»
    «Muss man das ernst nehmen?»
    «Wahrscheinlich nicht. Potocki war betrunken.»
    Tron nahm die silberne Haube von der Mousse au Chocolat, ergriff den Servierlöffel und durchstieß die kleine Schicht gehobelter Schokoladenspäne, bevor er den Löffel tiefer in die weiche Masse senkte.
    «Glaubst du auch, dass es Troubetzkoy war? Und stimmt es, dass Konstancja Potocki ein Verhältnis mit Troubetzkoy hatte?»
    «Ich glaube, es gibt keinen vernünftigen Grund für Potocki, ein Verhältnis seiner Frau mit Troubetzkoy zu erfinden», sagte Tron.
    Die Principessa wiegte nachdenklich den Kopf.

    «Merkwürdig, dass Potocki sich das bieten lässt. Gewissermaßen vor seiner Haustür.»
    Sie nippte vorsichtig an ihrem Champagner und stellte das Glas wieder ab. Tron fragte sich, in welchem Roman noch diese wunderbare Szene vorkam, in der sich das Mondlicht in zwei Champagnerglä sern spiegelte. Und dann fragte er sich, warum sie nicht aufhören konnten, über Mord und Ehebruch zu reden.
    «Wer hatte eigentlich das Geld in dieser Ehe?», erkundigte sich die Principessa.
    «Das kann ich dir nicht sagen.»
    Tron hatte den Kopf über seine Mousse gebeugt und registrierte entzückt den subtilen Duft von Bergamotteöl – ein untrügliches Indiz dafür, dass die Kö chin der Principessa Schokoladenmasse von Lalonde benutzt hatte. Er unterdrückte den Impuls, sich seine Portionen mit dem Servierlöffel in den Mund zu schaufeln, anstatt den kleinen Dessertlöffel zu benutzen.
    «Wenn sie das Geld hatte», sagte die Principessa,  «und er keins, würde das einiges erklären.»
    «Du meinst, Potocki konnte sich eine Trennung von seiner Frau einfach nicht leisten?»
    «Das wäre eine Erklärung für seine Duldsamkeit.»
    Die Principessa hielt kurz inne. Dann sagte sie: «Falls du dich in dieser Hinsicht nicht täuschst.»
    «Wie meinst du das?»
    «Bist du sicher, dass es nicht Potocki selbst gewesen ist?»

    «Wie bitte?»
    Die Stimme der Principessa war genauso kühl wie das Champagnerglas in ihrer Hand. «Dass Potocki selbst sie getötet hat?»
    Tron schüttelte energisch den Kopf. «Ich habe auf der Treppe mit ihm gesprochen. Da hat seine Frau noch im Salon Chopin gespielt.» Dann setzte er hinzu: «Offenbar kannst du dir nicht vorstellen, dass er sie geliebt hat.»
    Die Principessa machte ein skeptisches Gesicht.
    «Vorstellen kann ich mir viel. Aber erfahrungsgemäß läuft alles auf eine gesunde Bilanz hinaus.»
    Das war nun ein Wort, das Tron nicht besonders leiden konnte. Er legte den Dessertlöffel auf den Teller zurück und streckte die Hand nach der Champagnerflasche aus. Seine Champagnerbilanz lag jetzt bei einer halben Flasche. Das Glas der Principessa war noch fast voll. «Und bei uns? Ich meine, wie rechnet sich die Bilanz zwischen dir und mir?»
    Die Antwort der Principessa kam sofort. «Ich will euren Namen für mein Glas. Und ich will keinen Mann, der mich wegen meines Geldes heiratet. Das wäre ein schlechtes Geschäft.» Sie musterte Tron einen Augenblick mit zusammengekniffenen Augen – als sei er das Kleingedruckte in einem Vertragsentwurf. «So gesehen bist du der ideale Heiratskandidat.»
    Tron musste lachen. «Bist du dir sicher, dass ich dich nicht doch wegen deines Geldes heiraten will?»
    «Ich bin mir da sehr sicher.» Die Principessa stellte ihr Champagnerglas ab, beugte sich über den Tisch und sah Tron an. «Und zwar weil du auf einer ganz bestimmten Ebene ein Esel bist, Alvise.»
    «Ich bin ein Esel?»
    «Ja, weil dir Geld, obwohl ihr es dringend  braucht, nicht besonders wichtig ist. Das ist unlogisch, aber genau deswegen gefällst du mir.»
    Tron fand, dass sich das reichlich seltsam anhörte aus dem Mund einer Frau, die jeden Tag bis spät in die Nacht damit beschäftigt war, Geld zu verdienen.
    Er sagte: «Also gibt es für dich nicht nur ökonomische Motive. Das könnte auch für Potocki gelten.»
    Die Principessa nickte. «Rein theoretisch. Aber solche Motive sind meines Erachtens extrem selten.
    Wie gut kennst du

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