Gone 4: Rache
noch nie mit jemandem so gesprochen. Das musste die Angst sein. Sam war nicht in der Stadt und Drake lief frei herum.
»Wie kommst du darauf, dass Sam nicht hier ist?«, fragte er Albert.
»Weil ich ihn weggeschickt habe«, kam kleinlaut die Antwort. »Ihn, Dekka, Taylor und Jack. Sie suchen nach Wasser.«
»Was?«
»Sie suchen nach Wasser.«
Edilio sah zu Astrid. Ihr Blick war zu Boden gerichtet. Sie wusste also auch Bescheid.
Edilio schluckte. Es fiel ihm schwer zu atmen. Genauso wie es ihm schwerfiel, Albert und Astrid nicht anzuschreien. Beide so clever, beide so überlegen. Und jetzt knallten sie ihm das vor den Latz.
»Orc muss Drake gefolgt sein«, sagte Howard. »Oh Mann, ich weiß nicht, ob er Drake besiegen kann. Ich meine, so wie Drake jetzt ist.«
Edilio hoffte, dass Howard mit seiner Vermutung Recht hatte und Orc tatsächlich Jagd auf Drake machte. Er hoffte es sehr, denn die Alternative wäre, dass nicht nur ein Monster, sondern gleich zwei die Stadt unsicher machten.
Orc war meist friedlich, wenn er getrunken hatte. Aber manchmal steigerte er sich vor Wut in etwas hinein, drehte völlig durch.
Edilio warf einen Blick zur Tür. Einer von ihnen oder beide konnten jeden Moment hereinstürzen. Seine Pistole steckte im Halfter. Als ob ihm die was nutzen würde.
»Brianna sucht Drake«, dachte Edilio laut nach.
»Du hast sie Drake hinterhergeschickt?«, fragte Albert scharf.
» Geschickt? Wer hat Brianna je in einen Kampf geschickt? Sie macht das ganz von allein. Außerdem: So wie’s aussieht, hast du dafür gesorgt, dass außer ihr niemand mehr hier ist.«
Albert hatte genug Anstand, nichts zu erwidern.
»Ich sag euch jetzt mal was. Ihr habt mir das Kommando anvertraut. Ich hab nie darum gebeten. Ich wollte es auch nie haben. Solange Sam die Entscheidungen traf, fiel euch nichts Besseres ein, als ihm das Leben schwer zu machen. Vor allem ihr beide.« Er zeigte auf Albert und Astrid. »Also übernimmt Astrid. Und dann merkt Astrid, dass es gar nicht so lustig ist, das Sagen zu haben. Da überlegt ihr euch: Hey, soll doch der dumme Mexikaner den Job machen.«
»Niemand hat je …«, protestierte Astrid.
»Und ich Blödmann denke: Okay, das kann ja nur heißen, dass mir die Leute vertrauen. Sie wollen, dass ich das Ruder übernehme und ihr Bürgermeister bin. Jetzt stellt sich aber heraus, dass ich die Entscheidungen gar nicht treffe. Das tut nämlich Albert. Albert entscheidet, wir müssen nach Wasser suchen, und beauftragt unsere beiden besten Kämpfer, sich mal kurz die Gegend anzusehen. Und ich soll jetzt alles wieder in Ordnung bringen? Das ist so, als würdet ihr sagen: ›Zieh in den Krieg‹, nur geht das nicht, weil ihr mir meine Armee geklaut habt, damit sie einer Fata Morgana hinterherjagt.«
»Die Wasserlage ist viel schlimmer, als du denkst«, erklärte Albert.
»Hör dich doch an, Mann!«, explodierte Edilio. »Warum weiß ich nichts vom Wassermangel? Weil du alles kontrollierst und mir nichts erzählst. Du sagst mir nicht, was los ist, und dann schickst du auch noch Sam los. Weißt du was, Albert? Wenn du schon so scharf darauf bist, hier den starken Mann zu markieren, warum kümmerst du dich dann nicht selbst um Drake? Warum kommst du damit zu mir?«
Edilio malte sich gerade aus, wie es wohl wäre, wenn er Albert einfach über den Haufen schoss, als Taylor im Raum auftauchte. Sie jagte allen einen solchen Schreck ein, dass sie einen Satz in die Luft machten.
»Hör auf mit dem Scheiß!«, schrie Howard sie an. »Ich krieg noch ’nen Herzinfarkt!«
Taylor blieb unbeeindruckt. »Hunter ist tot. Es waren diese … diese Dinger. Sie sind aus ihm rausgekrochen und haben ihn dabei aufgefressen. Es war … ich meine … er hat geweint und versucht, sich selbst zu kochen … sein eigenes Hirn. Ihr wisst schon, so wie er es mit Harry gemacht hat. Das hat er nicht geschafft, also hat Sam ihn …« Sie schluckte. »Hat einer von euch Wasser?«
»Was hat Sam?«, hakte Astrid nach.
»Es für ihn getan. Sam … er … Hunter war … ihr wisst schon … und deshalb hat Sam …« Sie hob die Hände wie Sam, wenn er seine Kraft einsetzte.
Astrid schloss die Augen.
»Oh Gott«, murmelte Edilio.
»Ich brauch dringend was zu trinken.« Taylor setzte sich vor eine Wand, lehnte sich mit dem Rücken an und begann zu weinen.
Edilio trat an den großen Schreibtisch und zog eine Schublade auf. Er holte eine kleine Wasserflasche hervor, die nur noch zu einem Viertel voll war.
Weitere Kostenlose Bücher