Gone 4: Rache
mitgerissen.
Er spürte etwas in der rechten Hand. Ein großes Stück Wandplatte. Das war er gewesen. Er hatte die Tische und die Fenster und die Wände attackiert.
In seinem Kopf blitzten Erinnerungen auf, zuckende Bewegungen in dumpfen Farben. Als stünde er neben sich und sähe einem betrunkenen Monster aus Stein dabei zu, wie es brüllend den Raum verwüstete und mit steinernen Fäusten auf die Wände eindrosch.
Orc stöhnte. In seinem Kopf pochte ein Schmerz, als hämmerte jemand mit dem Vorschlaghammer auf seinen Schädel ein. Er war durstig. Sein Magen brannte, als wäre er mit glühenden Kohlen gefüllt.
Jetzt kehrte auch eine andere Erinnerung zurück. Drake. Er hatte den Psychopathen entkommen lassen.
Howard würde … nein, Howard würde nicht viel sagen. Howard würde sich hüten, auf Orc loszugehen.
Aber Sam? Und Astrid?
Plötzlich überkam ihn große Angst. Drake würde sich Astrid vornehmen. Drake hasste sie.
Er sollte etwas unternehmen. Er sollte … Drake finden. Oder Astrid beschützen. Astrid war immer freundlich zu ihm gewesen, hatte ihn nie wie ein Monster behandelt. Auch früher, als sie noch zur Schule gingen.
Nun erkannte Orc auch den Raum wieder. Wer nachsitzen musste, kam nach dem Unterricht hierher. Hier hatte ihm Astrid gelegentlich Nachhilfe gegeben. Und wenn er ehrlich sein sollte, war ihm das Nachsitzen damals allemal lieber gewesen, als nach Hause zu gehen.
Orc schloss die Augen. Er brauchte dringend was zu trinken. Ihm schwirrte zu viel durch den Kopf. Zu viele Bilder und Gefühle.
Als ihm ein entsetzlicher Gestank in die Nase stieg, wusste er sofort, dass er von ihm selbst ausging. Wenn er sich in die Bewusstlosigkeit soff, pinkelte er in die Hose – und Schlimmeres. Er lag in einer Pfütze aus Urin und Kot.
Schluchzend wälzte er sich auf die Seite und stemmte sich hoch. Seine Jogginghose war voller Flecken und roch bestialisch.
Er musste zum Strand runter und sich waschen. Doch dafür musste er durch die ganze Stadt. In diesem Zustand. Ein widerwärtiges, ekelerregendes, besoffenes und stinkendes Ungeheuer.
Als Drake das Bewusstsein wiedererlangte, war er im ersten Moment verwirrt und hatte keine Ahnung, wo er sich befand und wie er hierhergekommen war.
Seine Hände waren im Rücken gefesselt. Offenbar mit Draht, denn der schnitt in das breiige Fleisch seiner Peitschenhand.
»Bind mich los!«, fuhr er Jamal an, der mit ausgestreckten Beinen an einer Palme lehnte und schlief. Das Gewehr drückte er dabei wie ein Stofftier an seine Brust.
Drake bemerkte ein Seil, das seinen Knöchel mit Jamals Fuß verband. Er zerrte daran und weckte Jamal auf.
»Bind mich los«, sagte Drake noch einmal.
Jamal kroch zu ihm und löste Drakes Fesseln.
»Wo sind wir?«, fragte Drake.
»Auf dem Highway. Nicht weit von Ralphs Laden.«
»Was tun wir hier?«
»Ich musste Brittney aus der Stadt bringen. Ich hätte es fast nicht mehr aus der Kirche geschafft, bevor Edilio auftauchte.«
Drake erinnerte sich an den Kampf mit Brianna. Er grinste böse. »Hast du die dürre Hexe erledigt?«
Jamal zuckte mit den Schultern. »Ich hab auf sie geschossen.«
»Ob du sie erledigt hast?«
»Nein, Mann, ich glaub nicht.«
Drake starrte ihn an. »Das hatte ich dir aber befohlen.«
»Echt?« Jamal leckte sich über die Lippen. »Ich hab gesehen, dass du mir was sagen wolltest, als du dich verwandelt hast. Ich hab’s nur nicht verstanden.«
Drake wusste, dass er log. Jamal hatte ihm nicht gehorcht. Aber wollte er wirklich einen Jamal, der es fertigbrachte, einen hilflosen Menschen zu erschießen?
Nein, Jamal sollte auch ein wenig schwach sein. Trotzdem …
Drake ließ seine Peitsche knallen, schlug Jamal einmal quer über den Rücken.
Jamal schrie auf und strauchelte rückwärts.
»Du hast mir zu gehorchen«, sagte Drake. Dann setzte er ein Lächeln auf, von dem er hoffte, dass es freundlich wirkte. »Ich hab nicht allzu fest zugeschlagen. Lass dir das eine Mahnung sein.«
»Es brennt wie Feuer.«
»Nimm’s wie ein Mann.« Drake sprang auf die Beine und sah sich um. Sie waren nicht weit von der Stelle entfernt, an der die Straße von Coates auf den Highway stieß.
Drake spürte, wie der Frust in ihm hochstieg. Wenn er allein wäre, würde er in die Stadt zurückkehren und jeden umlegen, der sich ihm in den Weg stellte. Vielleicht nicht Orc, aber er könnte den besoffenen Penner zumindest so lange auf Trab halten, bis er fix und fertig war. Und Brianna? Jederzeit wieder.
Solange
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