Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
flüsterte ich, aber sie sagte Nein. Ich erwartete Nervosität, Vorsicht, Sorge – Nick, meinst du, ich werde eine gute Mutter sein? –, aber ich erntete nur ein abgehacktes, kaltes Nein . Ein Nein ohne Schlupfloch. Nichts Dramatisches, keine große Sache, sie war nur einfach nicht mehr interessiert. »Weil mir klargeworden ist, dass ich diese ganzen schwierigen Dinge machen müsste«, argumentierte sie. »Die ganzen Windeln und Arzttermine und so viel Disziplin, und du wärst einfach nur der Spaß-Daddy. Ich hätte die ganze Arbeit am Hals, sie zu guten Menschen zu erziehen, was du ohnehin zunichtemachen würdest, und sie würden dich lieben und mich hassen.«
Ich sagte ihr, dass das nicht stimmte, aber sie glaubte mir nicht. Ich sagte ihr, dass ich nicht nur ein Kind wollte , sondern dass ich ein Kind brauchte . Ich musste die Erfahrung machen, dass ich einen Menschen bedingungslos lieben konnte, dass ich dafür sorgen konnte, einer kleinen Kreatur Geborgenheit zu geben, komme was wolle. Dass ich ein anderer Vater sein konnte als mein Dad. Dass ich einen Jungen großziehen konnte, der anders war als ich.
Ich flehte sie an. Aber Amy blieb ungerührt.
Ein Jahr später bekam ich per Post die Nachricht, dass die Klinik meinen Samen vernichten würde, wenn wir nichts von uns hören ließen. Ich ließ den Brief auf dem Esszimmertisch liegen, ein offener Vorwurf. Drei Tage später entdeckte ich ihn im Müll. Das war die letzte Kommunikation, die wir zu diesem Thema hatten.
Zu diesem Zeitpunkt traf ich mich bereits seit ein paar Monaten heimlich mit Andie, also hatte ich kein Recht darauf, sauer zu sein. Aber das machte meinen Schmerz nicht geringer, und es verhinderte auch nicht, dass ich weiterhin Tagträumen von unserem Jungen nachhing, meinem und Amys Kind. Ich hing an ihm. Tatsache blieb, dass Amy und ich bestimmt ein großartiges Kind bekommen hätten.
Die Marionetten beobachteten mich mit erschrockenen schwarzen Augen. Ich spähte aus dem Fenster, sah, dass die Nachrichtentrucks die Belagerung aufgegeben hatten, also ging ich hinaus in die warme Nacht. Zeit für einen Spaziergang. Vielleicht verfolgte mich irgendein einsamer Schmierenjournalist, aber das wäre mir egal gewesen. Ich wanderte durch unseren Wohnkomplex, dann eine Dreiviertelstunde die River Road entlang, dann auf den Highway, der mitten durch Carthage führte. Dreißig laute, abgasverpestete Minuten – vorbei an Autohändlern, deren Trucks so appetitlich ausgestellt waren wie Desserts, vorbei an Imbissketten und Spirituosenläden und Minimärkten und Tankstellen –, bis ich die Ausfahrt nach Downtown erreichte. Auf dem ganzen langen Marsch war mir kein einziger Mensch zu Fuß begegnet, nur gesichtslose Flecken, die in den Autos an mir vorüberhuschten.
Es war fast Mitternacht. Ich kam an der Bar vorbei, war in Versuchung hineinzugehen, aber das Gedränge stieß mich ab. Garantiert hatten sich auch ein, zwei Reporter in der Menge eingenistet. Das hätte ich an ihrer Stelle ja auch getan. Aber ich wollte gern in einer Bar sein. Ich wollte von Menschen umgeben sein, Spaß haben, Dampf ablassen. Also wanderte ich nochmals fünfzehn Minuten weiter zum anderen Ende von Downtown, zu einer billigeren, lauteren, jüngeren Bar, wo die Toiletten samstags immer mit Kotze versaut waren. In so eine Bar würden Andies Freunde auch gehen und vielleicht Andie mitschleppen. Wäre doch ein netter Zufall, sie dort zu treffen. Dann könnte ich wenigstens von weitem ihre Stimmung einschätzen. Und wenn sie nicht da war, würde ich einfach nur einen trinken.
Doch so aufmerksam ich mich in der Bar auch umschaute – keine Andie, keine Andie. Mein Gesicht war halb von einer Baseballkappe verdeckt, aber trotzdem fühlte ich im Vorbeigehen, wie sich Köpfe nach mir drehten, wie Leute mich erkannten. Das ist doch der Typ! Aber klar doch!
Mitte Juli. Ich überlegte, ob ich bis Oktober vielleicht schon so verhasst war, dass ein paar Verbindungskerle ein geschmackloses Halloween-Kostüm aus mir machten: blonde Haarmähne, ein Amazing-Amy- Buch unter den Arm geklemmt. Go hatte gesagt, sie hätte schon sechs Anrufer gehabt, die fragten, ob wir in der Bar ein offizielles T-Shirt verkauften. (Gott sei Dank taten wir das nicht.)
Ich setzte mich und bestellte einen Scotch vom Barkeeper, einem Kerl in meinem Alter, der mich einen Sekundenbruchteil zu lange anstarrte und sich offensichtlich überlegte, ob er mich überhaupt bedienen sollte. Schließlich stellte er
Weitere Kostenlose Bücher