Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
mir klar, dass ich nicht an ein Kind dachte, sondern an unser Kind, meines und Amys. Dieses Kind würde die Fahnen mögen. Unser Kind auf den Boden gefläzt mit einem alten Konversationslexikon, genau wie ich früher, aber unser Kind würde nicht allein sein, sondern ich würde neben ihm liegen. Und es in seiner erblühenden Vexillologie unterstützen, einem Wort, das weniger nach dem Studium der Fahnen klingt als nach etwas, was einen ärgert und eigentlich gut zur Haltung meines Vaters mir gegenüber gepasst hätte. Aber nicht meiner Haltung meinem Sohn gegenüber. Ich stellte mir vor, wie Amy sich zu uns gesellte, sich neben uns auf den Bauch legte, die Füße in die Luft, und auf Palau deutete, den gelben Punkt leicht links vom Zentrum auf einem frischen blauen Hintergrund, denn ich war überzeugt, das war ihre Lieblingsflagge.
Von diesem Augenblick an war der Junge für mich real (manchmal auch ein Mädchen, aber meistens ein Junge). Er war unvermeidlich. Ich litt unter regelmäßigen, hartnäckigen väterlichen Sehnsuchtsattacken. Ein paar Monate nach unserer Hochzeit stand ich vor unserem Medizinschränkchen, Zahnseide zwischen den Zähnen, und dachte: Sie will doch Kinder, oder? Ich sollte sie fragen. Natürlich sollte ich sie fragen . Und als ich sie dann fragte – ganz allgemein, vage – sagte sie Na klar, na klar, irgendwann schon , aber trotzdem stand sie weiter jeden Morgen vor dem Waschbecken und schluckte ihre Pille. Drei Jahre lang machte sie das jeden Morgen, während ich um das Thema herumflatterte, es aber nicht fertigbrachte, die Worte auszusprechen: Ich möchte, dass wir ein Baby bekommen .
Nach den Entlassungen schien es so, als könnte es wahr werden. Auf einmal war da ein unanfechtbarer Raum in unserem Leben, und eines Tages beim Frühstück blickte Amy von ihrem Toast auf und sagte: Ich hab die Pille abgesetzt . Einfach so. Drei Monate verstrichen, und nichts passierte, und nicht lange nach unserem Umzug nach Missouri vereinbarte sie einen Termin für uns, weil sie fand, dass medizinisches Eingreifen vonnöten war. Wenn Amy ein Projekt begann, hatte sie keinen Sinn für Verzögerungen: »Wir sagen denen, dass wir es schon seit einem Jahr versuchen«, schlug sie vor. Törichterweise erklärte ich mich einverstanden – zu diesem Zeitpunkt fassten wir uns kaum einmal mehr an, aber wir dachten immer noch, ein Kind wäre eine gute Idee. Na klar.
»Aber du musst auch deinen Teil dazu beitragen, weißt du«, sagte sie auf der Fahrt nach St. Louis. »Du musst Samen abgeben.«
»Ich weiß. Warum sagst du das so?«
»Ich dachte nur, du bist zu stolz. Zu verklemmt und zu stolz.«
Ich war ein ziemlich übler Cocktail dieser beiden Eigenschaften, aber beim Fruchtbarkeitszentrum ging ich pflichtschuldig in den kleinen Raum, der der Selbstbefleckung gewidmet war: ein Ort, den Hunderte von Männern nur zu dem Zweck betreten hatten, um sich einen runterzuholen, zu wichsen, abzuspritzen, sich einen von der Palme zu wedeln, Bananensaft zu pressen, dem Arbeitslosen die Hand zu schütteln, den Fisch fangen zu gehen, die Perle zu putzen, den Lurch zu würgen.
(Gelegentlich benutze ich Humor zur Selbstverteidigung.)
Der Raum enthielt einen vinylbezogenen Sessel, einen Fernseher und einen Tisch, auf dem sich ein Stapel Pornographie-Magazine und eine Box Papiertücher befanden. Den Frisuren der Frauen (ja, oben und unten) nach zu urteilen, stammten die Hefte aus den Neunzigern, die Action war Midcore. (Noch ein guter Essay: Wer sucht die Pornohefte für die Fruchtbarkeitszentren aus? Wer beurteilt, was Männer anmacht, ohne für all die Frauen außerhalb des Komm-Raumes, die Schwestern und Ärztinnen und hoffnungsvollen, hormonbenebelten Ehefrauen allzu abwertend zu sein?)
Ich besuchte den Raum dreimal – man legt dort Wert auf eine Menge Backup –, während Amy nichts tat. Sie sollte anfangen, Pillen zu nehmen, aber das tat sie nicht, sie weigerte sich einfach. Sie war diejenige, die schwanger werden und ihren Körper dem Baby überlassen würde, deshalb wollte ich sie nicht drängen, sondern wartete ein paar Monate, behielt aber das Pillenfläschchen im Auge, um zu sehen, ob der Pegel sank. Nach ein paar Bieren stieg ich eines Nachts schließlich unsere Haustreppe hinauf, warf meine schneebedeckten Klamotten ab und kuschelte mich neben sie ins Bett, das Gesicht an ihrer Schulter, atmete sie ein, wärmte mir die Nasenspitze an ihrer Haut. Lass es uns tun, Amy, lass uns ein Baby kriegen,
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