Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
arme Schwester verhörten, die unter einer nackten Glühbirne schwitzte.
»Solange Sie mich reden lassen«, sagte Tanner. »Wenn ich über Amys Plan rede, können sie es im Prozess nicht gegen uns verwenden … falls wir uns für eine andere Verteidigungsstrategie entscheiden.«
Es machte mir Sorgen, dass mein Anwalt die Wahrheit so unglaubhaft fand.
Gilpin begegnete uns auf der Treppe zur Station, eine Cola in der Hand, spätes Abendessen. Als er sich umdrehte, um uns hineinzuführen, sah ich seinen schweißnassen Rücken. Zwar war die Sonne schon längst untergegangen, aber die Feuchtigkeit war geblieben. Er hob und senkte einmal die Arme, und das Hemd flatterte kurz, klebte dann aber gleich wieder an seiner Haut.
»Immer noch heiß«, sagte er. »Angeblich soll es über Nacht sogar noch wärmer werden.«
Boney wartete im Konferenzraum auf uns, den ich schon vom ersten Abend kannte. Der Nacht des Verschwindens. Sie hatte ihre schlaffen Haare zu einem französischen Zopf geflochten und mit einer Klammer am Hinterkopf festgesteckt, ein ziemlich auffallender Look, und obendrein trug sie Lippenstift. Ich fragte mich, ob sie wohl ein Date hatte. Eine » Ich treff dich nach Mitternacht« -Geschichte.
»Haben Sie Kinder?«, fragte ich sie, während ich mir einen Stuhl heranzog.
Sie machte ein erschrockenes Gesicht und hielt einen Finger in die Höhe. »Eines.« Namen, Alter oder sonst etwas fügte sie nicht hinzu. Boney war ganz im geschäftlichen Modus. Sie versuchte, uns kommen zu lassen.
»Sie zuerst«, sagte Tanner. »Sagen Sie uns, was Sie haben.«
»Nick, Ihre Fingerabdrücke sind überall, fast auf jedem Gegenstand in dem Schuppen.«
»Das ist eine Lüge! Ich hab nichts davon angefasst, kein Stück! Abgesehen von meinem Hochzeitstagsgeschenk, das Amy da drin versteckt hat .«
Tanner legte die Hand auf meinen Arm: Halt den Mund .
»Nick, Ihre Fingerabdrücke sind auf dem Pornozeug, auf den Golfschlägern, auf den Uhrengehäusen und sogar auf dem Fernseher.«
Und da sah ich es auf einmal, ich sah es vor mir, wie Amy das genossen haben musste: meinen tiefen, selbstzufriedenen Schlaf (mit dem ich mich so aufgespielt hatte, mit meiner Überzeugung, dass sie nur ein bisschen entspannter sein müsste, ein bisschen mehr wie ich, dann würde ihre Schlaflosigkeit schnell geheilt sein) gegen mich zu verwenden. Ich sah es vor mir: Amy auf den Knien, mein Schnarchen wärmte ihre Wangen, und so drückte sie im Lauf der Monate eine Fingerspitze mal hier und mal dort auf einen der Gegenstände. Vielleicht hatte sie mir auch irgendetwas in meinen Drink gemischt. Ich erinnerte mich, wie sie mich eines Morgens gemustert hatte, als ich aufwachte, mit trockenem, verklebtem Mund, und wie sie sagte: »Du schläfst den Schlaf der Verdammten, weißt du. Oder der Betäubten.« Beides stimmte, nur wusste ich nichts davon.
»Möchten Sie uns das mit den Fingerabdrücken erklären?«, fragte Gilpin.
»Erzählen Sie uns erst einmal den Rest«, antwortete Tanner.
Boney legte eine extrem dicke, ledergebundene Heftmappe mit verkohlten Rändern auf den Tisch zwischen uns. »Erkennen Sie die?«
Kopfschüttelnd zuckte ich die Achseln.
»Das ist das Tagebuch Ihrer Frau.«
»Ähm, nein. Amy hat nie Tagebuch geschrieben.«
»O doch, Nick, das hat sie – ungefähr sieben Jahre lang«, entgegnete Boney.
Okay.
Etwas Schlimmes würde passieren. Meine Frau war mal wieder besonders clever.
Amy Elliott Dunne
Zehn Tage danach
Wir fahren mein Auto über die Staatsgrenze nach Illinois, in ein besonders scheußliches Viertel einer kaputten Stadt am Fluss, wischen es eine Stunde lang sauber und lassen es dann mit dem Schlüssel im Zündschloss stehen. Wie das Leben so spielt: Das Paar aus Arkansas, das den Wagen vor mir gefahren hat, war zweifelhaft, Ozark-Amy ganz offensichtlich dubios, jetzt wird hoffentlich auch noch irgendein Penner aus Illinois das Vehikel ein bisschen genießen können.
Dann fahren wir über die welligen Hügel zurück nach Missouri, bis ich durch die Bäume den Lake Hannafan glitzern sehe. Da Desi in St. Louis Familie hat, möchte er glauben, dass die Gegend alt ist, ostküsten-alt, aber er irrt sich. Lake Hannafan ist nicht nach einem Staatsmann aus dem neunzehnten Jahrhundert benannt und auch nicht nach einem Bürgerkriegshelden. Es ist ein privater See, im Jahr 2002 von einem windigen Bauunternehmer namens Mike Hannafan ausgehoben, der, wie sich herausstellte, illegal bei Nacht dort Sondermüll entsorgte.
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