Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
Die aufgebrachte Gemeinde bemüht sich seither, einen neuen Namen für ihren See zu finden. Lake Collings ist bestimmt schon ins Gespräch gebracht worden.
Trotz des gut geplanten Sees – auf dem ein paar wenige Auserwählte segeln, aber nicht mit Motorbooten fahren dürfen – und Desis geschmackvoller Villa – ein Schweizer Château in amerikanischem Maßstab – bleibe ich unbeeindruckt. Das war schon immer das Problem mit Desi. Ob man aus Missouri kommt oder nicht – man kann nicht so tun, als wäre Lake »Collings« der Comer See.
Er lehnt sich an seinen Jaguar und blickt zu seinem Haus empor, damit auch ich innehalte und meiner Anerkennung Ausdruck verleihe.
»Wir haben es nach diesem wundervollen kleinen Chalet entworfen, in dem meine Mutter und ich am Brienzersee gewohnt haben«, erklärt er. »Es fehlen nur die Berge.«
Da fehlt ziemlich viel, denke ich, aber ich lege die Hand auf seinen Arm und sage: »Zeig es mir. Von innen muss es fabelhaft sein.«
Er führt mich herum. Eine kathedralenartige Küche – alles Granit und Chrom –, zwei offene Kamine im Wohnzimmer, das auf eine Terrasse hinausgeht (die man im Mittleren Westen ein Deck nennt) mit Blick auf den Wald und den See. Ein Unterhaltungsraum im Keller, mit einem Billardtisch, Darts, Dolby Surround-Sound, Bar und separater Terrasse (was man im Mittleren Westen ein zweites Deck nennt). Daneben eine Sauna und neben der Sauna ein Weinkeller. Oben fünf Schlafzimmer, von denen er das zweitgrößte mir überlässt.
»Ich habe es neu streichen lassen«, sagt er. »Ich weiß, dass du dieses pudrige Rosa magst.«
In Wahrheit mag ich pudriges Rosa gar nicht mehr, das war in der Highschool. »Du bist so nett, Desi, ich danke dir«, sage ich, so herzlich ich kann. Mein Dank kommt immer ziemlich bemüht rüber, und ich bedanke mich auch nicht sehr oft. Die Leute tun, was sie wollen, und dann erwarten sie, dass man sie mit Lobeshymnen überhäuft – sie sind wie die Angestellten im Frozen-Yoghurt-Shop, die kleine Becher für Trinkgeld aufstellen.
Aber für Desi ist es, wenn sich jemand bei ihm bedankt, wie für eine Katze, wenn sie gebürstet wird; sein Rücken streckt und wölbt sich genüsslich. Für den Moment lohnt sich die Geste also.
Ich stelle meine Tasche in meinem Zimmer ab und versuche zu signalisieren, dass ich mich für den Rest des Abends zurückziehen möchte – ich muss sehen, wie die Leute auf Andies Beichte reagiert haben und ob Nick schon verhaftet worden ist –, aber anscheinend bin ich mit dem Bedanken noch längst nicht durch. Desi hat dafür gesorgt, dass ich ihm auf ewige Zeiten verpflichtet sein werde. Er lächelt das Lächeln, das bedeutet, er hat eine ganz besondere Überraschung für mich, nimmt meine Hand ( ich muss dir unbedingt noch etwas zeigen ) und zieht mich wieder die Treppe hinunter ( ich hoffe, es gefällt dir ) in einen Korridor, der von der Küche abgeht ( hat viel Arbeit gemacht, aber es hat sich echt gelohnt ).
»Ich hoffe wirklich, es gefällt dir«, wiederholt er und reißt die Tür auf.
Es ist ein Raum aus Glas, ein Gewächshaus. Tulpen wachsen darin, Hunderte, in allen erdenklichen Farben. Mitten im Juli blühen in Desis Haus die Tulpen. In ihrem speziellen Raum für ein ganz besonderes Mädchen.
»Ich weiß, dass Tulpen deine Lieblingsblumen sind, aber die Saison ist so kurz«, sagt Desi. »Deshalb hab ich dafür gesorgt, dass sie hier das ganze Jahr über blühen.«
Er legt den Arm um meine Taille und dreht mich zu den Blumen, so dass ich sie in ihrer ganzen Pracht begutachten kann.
»Tulpen das ganze Jahr über, jeden Tag«, sage ich und strenge mich an, meine Augen feucht werden zu lassen. In der Highschool waren Tulpen meine Lieblingsblumen. Jeder hat damals Tulpen geliebt, es waren sozusagen die Gerbera der späten Achtziger. Jetzt mag ich Orchideen, die quasi das Gegenteil von Tulpen sind.
»Hätte Nick jemals daran gedacht, so etwas für dich zu tun?«, haucht Desi mir ins Ohr, während die Tulpen unter der mechanisierten Wasserbestäubung schwanken.
»Nick hat sich nicht mal gemerkt, dass ich Tulpen mag«, sage ich. Die korrekte Antwort.
Eine nette, eine mehr als nette Geste. Mein eigenes Blumenzimmer, wie ein Märchen. Und doch spüre ich eine gewisse Genervtheit: Ich habe Desi vor vierundzwanzig Stunden angerufen, das hier sind keine frisch gepflanzten Tulpen, und das Schlafzimmer hat auch nicht nach frischer Farbe gerochen. Deshalb frage ich mich: Der Aufwärtstrend in der
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