Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
was sie noch für mich übrig hatte, war ein verlegenes Lächeln, als sie an mir vorbeischlüpfte, hinein in das Haus, auf das sie eine doppelte Hypothek aufgenommen hatte, um Tanners Vorschuss zu bezahlen.
Mit meinen beschissenen Fehlentscheidungen hatte ich meine Schwester einem finanziellen und juristischen Risiko ausgesetzt. Die ganze Situation machte sie wütend und mich beschämt, eine fatale Kombination für zwei Menschen, die auf engem Raum zusammengesperrt sind.
Ich versuchte es mit einem anderen Thema: »Ich habe überlegt, Andie anzurufen, jetzt, wo …«
»Ja, das wäre bestimmt schlau, geradezu genial, Nick. Dann kann sie sich noch mal bei Ellen Abbott zeigen …«
»Sie war nie bei Ellen Abbott. Sie hat eine Pressekonferenz gegeben, über die bei Ellen Abbott berichtet wurde. Sie ist kein böser Mensch, Go.«
»Sie hat diese Pressekonferenz abgehalten, weil sie sauer auf dich war. Irgendwie wünsche ich mir fast, du hättest sie einfach weiter gefickt.«
»Nett von dir.«
»Was willst du ihr überhaupt sagen?«
»Dass es mir leidtut.«
»Ja, es tut dir definitiv verfickt leid«, brummte sie.
»Ich finde es nur … so schrecklich, wie es zu Ende gegangen ist.«
»Als du Andie das letzte Mal gesehen hast, hat sie dich gebissen«, sagte Go mit übermäßig geduldiger Stimme. »Ich glaube nicht, dass ihr beiden euch noch was zu sagen habt. Du bist der Hauptverdächtige in einem Mordprozess. Du hast das Recht auf eine reibungslose Trennung verwirkt. Also wirklich, Nick.«
Wir fingen an, uns tierisch auf die Nerven zu gehen, was ich nie erwartet hätte. Es war mehr als normaler Stress, mehr als die Gefahr, die ich sozusagen auf der Türschwelle meiner Schwester deponiert hatte. Diese zehn Sekunden vor gerade mal einer Woche, als ich die Schuppentür geöffnet und erwartet hatte, Go würde wie immer meine Gedanken lesen, und sie hatte in ihnen gelesen, dass ich meine Frau umgebracht hatte: Darüber kam ich einfach nicht weg, und sie auch nicht. Immer wieder ertappte ich sie dabei, wie sie mich mit der gleichen gepanzerten Distanz ansah wie unseren Vater: noch so ein beschissener nutzloser Mann, der nur Platz wegnimmt. Und ich bin sicher, dass ich sie manchmal durch die elenden Augen unseres Vaters anschaute: noch so eine engherzige Frau, die mich hasst.
Ich atmete tief aus, stand auf, drückte ihre Hand, und sie drückte meine.
»Ich glaube, ich sollte nach Hause gehen«, sagte ich. Auf einmal überkam mich eine Welle der Übelkeit. »Ich halte das nicht mehr aus. Ich ertrage dieses Warten auf die Verhaftung einfach nicht mehr.«
Bevor sie mich aufhalten konnte, packte ich meine Schlüssel und riss die Tür auf. Sofort begannen die Kameras zu klicken, und Rufe explodierten aus einer Menschenmenge, die noch größer war, als ich befürchtet hatte: Hey, Nick, haben Sie Ihre Frau umgebracht? Hey, Margo, haben Sie Ihrem Bruder geholfen, Beweise zu unterschlagen?
»Ihr verfickten Scheißkerle«, stieß sie hervor. Sie hatte sich solidarisch neben mir aufgebaut, in ihrem Butthole-Surfers -T-Shirt und ihren Boxershorts. Ein paar der Demonstranten trugen Transparente. Eine Frau mit strähnigen blonden Haaren und Sonnenbrille schwenkte ein Plakat: Nick, wo ist AMY?
Das Geschrei wurde lauter, hektisch, lockte meine Schwester: Margo, ist Ihr Bruder ein Frauenmörder? Hat Nick seine Frau und ihr Baby getötet? Margo, werden Sie auch verdächtigt? Hat Nick seine Frau umgebracht? Hat Nick sein Baby umgebracht?
Ich stand da und versuchte standzuhalten, weigerte mich, ins Haus zurückzugehen. Auf einmal kauerte Go sich hinter mich und fing an, an dem Hahn neben der Treppe zu kurbeln. Sie drehte ihn voll auf – ein harter, stetiger Strahl –, zielte auf die Kameraleute und Demonstranten und hübschen Journalistinnen in ihren fernsehtauglichen Kostümen und spritzte sie ab, als wären es Tiere.
Sie gab mir Feuerschutz. Ich rannte zu meinem Auto und raste davon, ließ die Menge tropfnass auf dem Rasen stehen. Go lachte, laut und schrill.
Ich brauchte zehn Minuten, um mein Auto von der Auffahrt in die Garage zu manövrieren, denn ich musste mich Zentimeter um Zentimeter vorwärtskämpfen und das wütende Meer von menschlichen Wesen teilen – zusätzlich zu den Kamerateams hatten sich mindestens zwanzig Demonstranten vor meinem Haus aufgebaut. Meine Nachbarin Jan Teverer war eine von ihnen. Unsere Blicke trafen sich, und sie hielt mir ihr Plakat entgegen: WO IST AMY, NICK?
Aber schließlich war ich
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