Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)

Geburtstag geschenkt habe und die er nie angezogen hat, weil sie angeblich überhaupt nicht zu ihm passte. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall.
    »Er ist extrem gepflegt für einen Mann, dessen Frau verschwunden ist«, nörgelt Desi. »Hat keinen Maniküre-Termin ausgelassen.«
    »Nick würde nie zur Maniküre gehen«, sage ich und werfe einen Blick auf Desis polierte Fingernägel.
    »Kommen wir gleich zum Punkt, Nick«, sagt Sharon. »Hatten Sie irgendetwas mit dem Verschwinden Ihrer Frau zu tun?«
    »Nein. Nein. Absolut, hundertprozentig nein«, antwortet Nick und hält gut einstudierten Blickkontakt. »Aber lassen Sie mich sagen, dass ich weit davon entfernt bin, unschuldig zu sein, Sharon, ich war weder untadelig noch ein guter Ehemann. Wenn ich nicht solche Angst um Amy hätte, würde ich sagen, in gewisser Hinsicht war ihr Verschwinden eine gute Sache …«
    »Entschuldigen Sie, Nick, aber ich glaube, viele Menschen werden das schwer glauben können, wo doch Ihre Frau verschwunden ist.«
    »Es ist das schrecklichste, furchtbarste Gefühl der Welt, und mein größter Wunsch ist, dass sie zurückkommt. Ich sage nur, dass es für mich der brutalstmögliche Augenöffner war. Man möchte ja nicht glauben, dass man so ein schrecklicher Mensch ist, dem erst so etwas Schlimmes passieren muss, damit er aus seiner egoistischen Spirale rauskommt und sich der Tatsache stellt, dass er der größte Glückspilz der Welt ist. Ich meine, ich hatte diese Frau, die mir ebenbürtig war, nein, mir überlegen in jeder Hinsicht, und ich habe meine Unsicherheit – weil ich meinen Job verloren habe, weil ich nicht für meine Familie sorgen konnte, weil ich älter werde – all das vernebeln lassen.«
    »Ach, bitte …«, setzt Desi an, aber ich bringe ihn schnell zum Schweigen. Für Nick ist es wie ein kleiner Tod – und ich meine jetzt nicht die Orgasmus-Variante –, vor aller Welt zuzugeben, dass er kein guter Mann ist.
    »Und ich möchte noch etwas sagen, Sharon. Lassen Sie es mich jetzt gleich sagen: Ich bin fremdgegangen. Ich habe meine Frau respektlos behandelt. Ich wollte nicht der Mann sein, zu dem ich geworden bin, aber statt an mir zu arbeiten, habe ich den einfachsten Ausweg gesucht. Ich habe meine Frau mit einer jungen Frau betrogen, die mich kaum kannte. Damit ich so tun konnte, als wäre ich ein toller Hecht. Ich konnte so tun , als wäre ich der Mann, der ich gern wäre – klug und selbstbewusst und erfolgreich –, weil diese Frau es nicht besser wusste. Dieses junge Mädchen, sie hatte mich nicht gesehen, wie ich mitten in der Nacht im Badezimmer saß und in ein Handtuch weinte, weil ich meinen Job verloren hatte. Sie kannte meine Schwächen und Unzulänglichkeiten nicht. Ich war ein Dummkopf, der geglaubt hat, wenn er nicht perfekt ist, würde meine Frau ihn nicht mehr lieben. Ich wollte Amys Held sein, und dann habe ich meinen Job verloren, und meine Selbstachtung ebenfalls. Ich konnte nicht mehr dieser Held sein. Sharon, ich weiß, was richtig und was falsch ist, ich kann das unterscheiden. Und ich – ich habe schlicht etwas Falsches getan.«
    »Was würden Sie Ihrer Frau sagen, wenn sie sich womöglich irgendwo da draußen befindet und Sie heute Abend sehen und hören kann?«
    »Ich würde ihr sagen: Amy, ich liebe dich. Du bist die beste Frau, die ich jemals kennengelernt habe. Du bist mehr, als ich verdiene, und wenn du zurückkommst, dann werde ich den Rest meines Lebens damit verbringen, alles wiedergutzumachen. Wir werden eine Möglichkeit finden, wie wir diesen Horror vergessen können, und ich werde dir der beste Mann der Welt sein. Bitte, komm zurück zu mir, Amy.«
    Eine Sekunde legt er die Zeigefingerspitze auf die Spalte in seinem Kinn, unser alter Geheimcode, mit dem wir uns früher mitgeteilt haben, dass wir uns nicht verscheißern – das Kleid sieht wirklich verdammt gut aus, der Artikel ist wirklich hieb- und stichfest. Ich bin absolut hundertprozentig ehrlich – ich stehe hinter dir und werde dir nicht blöd kommen.
    Desi beugt sich vor mich, so dass ich den Bildschirm nicht mehr sehen kann, und greift nach dem Sancerre. »Noch Wein, mein Schatz?«, fragt er.
    »Psst.«
    Er drückt die Pausentaste. »Amy, du bist eine gutherzige Frau. Ich weiß, du bist anfällig für … für Entschuldigungen. Aber alles, was er sagt, ist gelogen.«
    Nick sagt genau das, was ich hören will. Endlich .
    Jetzt dreht Desi sich so, dass er direkt in mein Gesicht starrt und mir gänzlich die Sicht