Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
Rollläden entlang – kaputte Kommunalbanken und eingegangene Kinos – zum Fluss hinunter. Ich hielt auf einem Parkplatz direkt am Fluss, direkt vor dem Flussschiff Mark Twain . Das Parken war gratis. (Ich war jedes Mal wieder begeistert von dieser neuen unglaublich großzügigen Errungenschaft.) Transparente mit dem berühmten weißhaarigen Mann hingen schlaff von Lampenpfosten, Poster wellten sich in der Hitze. Es war ein föhnig-heißer Tag, aber selbst dafür schien Hannibal bestürzend ruhig. Als ich an den wenigen Blocks mit den Souvenir-Läden vorbeiging – Quilts, Antiquitäten und Toffee –, entdeckte ich mehrere »Zu Verkaufen«-Schilder. Becky Thatchers Haus war wegen Renovierung geschlossen – eine Renovierung, für die es noch keine sichere Finanzierung gab. Für zehn Dollar konnte man seinen Namen auf Tom Sawyers weiß getünchten Zaun schreiben, aber das Angebot wurde wenig genutzt.
Ich setzte mich auf die Stufen vor einem leerstehenden Laden. Auf einmal kam mir der Gedanke in den Kopf, dass ich Amy an einen Ort gebracht hatte, wo alles zu Ende ging. Wir erlebten buchstäblich das Ende einer Lebensform – ein Ausdruck, den ich früher nur im Zusammenhang mit Stämmen aus Neuguinea oder Glasbläsern aus den Appalachen benutzt hatte. Die Rezession hatte die Mall kaputtgemacht. Computer hatten Blue Book kaputtgemacht. Carthage war pleite, seine Schwesterstadt Hannibal verlor immer mehr Boden an laute, grelle Touristenorte. Mein geliebter Mississippi River wurde langsam, aber sicher von asiatischen Karpfen in Besitz genommen, die sich zum Lake Michigan vorarbeiteten. Amazing Amy war erledigt. Meine Karriere war am Ende, Amys Karriere ebenfalls, mein Vater war am Ende, meine Mom war am Ende. Unsere Ehe war am Ende. Und nun Amy.
Die gespenstisch keuchende Dampfschiff-Sirene dröhnte vom Fluss herüber. Mein Hemd war am Rücken durchgeschwitzt. Ich zwang mich aufzustehen und ein Ticket für die Rundfahrt zu kaufen, ging den gleichen Weg wie damals mit Amy, und in meinen Gedanken war meine Frau neben mir. Damals war es auch heiß gewesen. Du bist BRILLANT . In meiner Phantasie spazierte sie neben mir her, und diesmal lächelte sie. Mein Magen revoltierte.
In Gedanken führte ich meine Frau zu den touristischen Hauptattraktionen. Ein grauhaariges Paar blieb stehen und spähte in Huckleberry Finns Haus, ging aber nicht hinein. Am Ende des Blocks stieg ein als Twain verkleideter Mann – weiße Haare, weißer Anzug – aus einem Ford Focus, streckte sich, blickte die leere Straße hinunter und verschwand in einem Pizzaladen. Dann waren wir da, an dem Schindelhaus, das einmal der Gerichtssaal von Samuel Clemens’ Vater gewesen war. Außen hing ein Schild: J. M. Clemens, Friedensrichter .
Komm küss mich … so, wie ganz früher einmal.
Du machst das so nett und einfach, Amy, als wolltest du wirklich, dass ich deine Hinweise finde, dass ich stolz auf mich bin. Weiter so, dann breche ich meinen Rekord.
Das Gebäude war leer. Ich kniete mich auf die staubigen Dielen und spähte unter die erste Bank. Wenn Amy einen Hinweis in einem öffentlichen Gebäude platzierte, klebte sie ihn immer auf irgendeine Unterseite, zwischen Kaugummi und Staub, und die Realität gab ihr recht, denn niemand schaut sich gern die Unterseite der Dinge an. Unter der ersten Bank war nichts, aber von der dahinter flappte ein Zettel. Ich kletterte über die Bank und klaubte den Amy-blauen Umschlag ab, an dem ein Stück Klebeband hängenblieb.
Hi, lieber Ehemann,
gut gefunden! Du bist brillant. Möglicherweise hilft es Dir zu erfahren, dass ich beschlossen habe, die diesjährige Schatzsuche zu einem grausigen Zwangsmarsch durch meine dunklen Erinnerungen zu machen.
Ich habe mich von Deinem geliebten Mark Twain inspirieren lassen:
»Was sollte man dem Mann antun, der das Zelebrieren von Hochzeitstagen erfunden hat? Ihn einfach umzubringen, wäre eine zu harmlose Strafe.«
Jetzt endlich verstehe ich, was Du Jahr für Jahr gesagt hast, nämlich, dass diese Schatzsuche eine Gelegenheit sein sollte, uns zu feiern, und nicht eine Prüfung, ob Du Dich an alles erinnern kannst, was ich im Lauf des Jahres gedacht oder gesagt habe. Eigentlich müsste eine erwachsene Frau von selbst darauf kommen, aber … vermutlich gibt es dafür Ehemänner. Um auf das hinzuweisen, was wir selbst nicht sehen können, und manchmal dauert es leider volle fünf Jahre, bis wir es begriffen haben.
Deshalb wollte ich Dir hier, in der
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