Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
ein- und ausladen kann, wie das Sofa oder die Kuckucksuhr. Etwas, was man bei Bedarf auf den Schrottplatz oder in den Fluss werfen kann. Ich fühle mich nicht mehr real. Ich fühle mich, als könnte ich jederzeit verschwinden.
Nick Dunne
Drei Tage danach
Die Polizei würde Amy nicht finden, es sei denn, jemand wollte, dass Amy gefunden wurde. So viel war klar. Die Suche hatte alles einbezogen, was grün oder braun war: endlose Meilen schlammigen Mississippi-Wassers, Pfade und Wanderwege, unsere spärlichen Waldfetzen. Wenn sie noch am Leben war, würde jemand sie zurückgeben müssen. Wenn sie tot war, würde die Natur sie loslassen müssen. Das war die offensichtliche Wahrheit, wie ein saurer Geschmack auf der Zungenspitze. Als ich im Freiwilligenzentrum eintraf, wurde mir klar, dass auch alle anderen es wussten: Trägheit und Niedergeschlagenheit erfüllten den Raum. Ich wanderte ziellos zum Tisch mit dem Gebäck und versuchte, mich zum Essen zu überreden. Ein Plunderstück. Die Erfahrung hatte mich gelehrt, dass es nichts Deprimierenderes zu essen gab als Plunder – ein Gebäck, das vom ersten Augenblick an trocken und fad zu sein schien.
»Ich meine immer noch, es ist der Fluss«, sagte ein Freiwilliger gerade zu seinem Kumpel, während beide mit schmutzigen Fingern ihr Gebäck auseinanderzupften. »Direkt hinter dem Haus von dem Typen, einfacher geht’s doch kaum.«
»Aber dann wäre sie inzwischen in einem Strudel oder einer Schleuse hochgekommen.«
»Nicht, wenn sie zerhackt worden ist, die Beine, die Arme, alles weg … der Körper kann bis zum Golf treiben. Nach Tunica mindestens.«
Ich wandte mich schnell ab, bevor sie mich bemerkten.
Ein ehemaliger Lehrer von mir, Mr. Coleman, saß an einem Kartentisch, über das Hotline-Telefon gebeugt, und kritzelte Informationen auf ein Blatt Papier. Als er mich sah, tippte er sich an die Schläfe und zeigte dann zum Telefon. Gestern hatte er mich mit den Worten begrüßt: »Meine Enkeltochter ist von einem Besoffenen überfahren worden …« Wir hatten beide etwas gemurmelt und uns ungeschickt auf die Schulter geklopft.
Mein Wegwerfhandy klingelte – ich wusste nicht, wo ich es lassen sollte, deshalb behielt ich es erst mal bei mir. Ich hatte angerufen, jetzt kam der Rückruf, aber ich konnte ihn nicht entgegennehmen. Schnell stellte ich das Handy ab und ließ den Blick durch den Raum schweifen, um sicherzugehen, dass die Elliotts nichts davon gesehen hatten. Marybeth tippte auf ihrem BlackBerry herum und hielt es dann auf Armlänge von sich weg, um das Geschriebene lesen zu können. Als sie mich bemerkte, sauste sie mit ihren schnellen Trippelschritten zu mir herüber, sie hielt das Blackberry vor sich wie einen Talisman.
»Wie lange braucht man von hier nach Memphis?«, fragte sie.
»Knapp fünf Stunden mit dem Auto. Warum – was ist in Memphis?«
»Da wohnt Hilary Handy. Amys Stalkerin von der Highschool. Was für ein Zufall ist das denn?«
Ich wusste nicht, was ich antworten sollte: gar keiner?
»Ja, Gilpin hat mich auch abfahren lassen. Für etwas, was vor über zwanzig Jahren passiert ist, können wir kein Geld zur Verfügung stellen. Arschloch. Der Mann behandelt mich, als wäre ich ständig kurz vor dem Nervenzusammenbruch, redet nur mit Rand, obwohl ich direkt danebenstehe, ignoriert mich total, als müsste mein Mann mir armem kleinen Dummerchen alles erklären. Arschloch.«
»Die Stadt ist pleite«, sagte ich. »Ich bin sicher, die haben wirklich nicht das Budget für so was, Marybeth.«
»Aber wir. Im Ernst, Nick, dieses Mädchen war total daneben. Und ich weiß, dass sie Amy im Lauf der Jahre immer wieder kontaktiert hat. Das hat Amy mir selbst gesagt.«
»Mir gegenüber hat sie es nie erwähnt.«
»Was kostet es denn, da hinzufahren? Fünfzig Dollar? Na gut. Übernimmst du das? Du hast doch gesagt, du würdest es tun. Bitte? Ich kann erst aufhören, daran zu denken, bis ich weiß, dass jemand mit ihr gesprochen hat.«
Ich wusste, dass das stimmte, denn ihre Tochter litt am gleichen hartnäckigen Sorgenzwang: Amy konnte sich einen ganzen Abend damit quälen, dass sie bestimmt den Herd angelassen hatte, auch wenn wir an dem Tag überhaupt nicht gekocht hatten. Oder war die Tür wirklich abgeschlossen? Ganz sicher? Sie war eine Meisterin im Entwerfen von Katastrophenszenarien. Nicht nur war die Tür nicht abgeschlossen, nein, jetzt lauerten Männer im Haus, um sie zu vergewaltigen und umzubringen.
Ich spürte eine
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