Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
zurückpfiff. Ich war wirklich nicht in der Stimmung, den Cops alles zu erklären.
Dann setzte ich mich auf den dünnen billigen Teppich und befahl mir, ruhig zu atmen. Mein Herz raste. Eine Minute später, nachdem sich meine Schultern und mein Kiefer etwas entspannt hatten, meine Fäuste sich etwas lösten und mein Herz wieder einigermaßen normal schlug, stand ich auf und überlegte kurz, ob ich einfach gehen sollte – als würde ich Amy damit eine Lektion erteilen. Aber als ich aufstand, sah ich auf der Küchentheke einen blauen Umschlag liegen. Er sah aus wie ein Abschiedsbrief.
Ich holte tief Luft, stieß sie mit gespitztem Mund wieder aus – Einstellungswechsel! – und öffnete den Umschlag. Heraus kam der mit einem Herz verzierte Brief.
Hallo Schatz,
wir haben beide Themen, an denen wir arbeiten müssen. Bei mir ist es mein Perfektionismus und meine gelegentliche (oder ist das Wunschdenken?) Selbstgerechtigkeit. Und bei Dir? Ich weiß, dass Du Dir Sorgen machst, ob Du vielleicht manchmal zu distanziert bist, zu kühl, unfähig, zärtlich oder unterstützend zu sein. Nun, ich möchte Dir – hier im Haus Deines Vaters – sagen, dass das nicht stimmt. Du bist nicht wie Dein Vater. Du bist ein guter Mann, liebenswürdig und freundlich. Manchmal habe ich Dich bestraft, weil Du meine Gedanken nicht lesen konntest, weil Du nicht genau das getan hast, was ich genau in diesem Moment von Dir wollte. Ich habe Dich dafür bestraft, dass Du ein lebendiger Mann bist. Ich habe Dich herumkommandiert, statt darauf zu vertrauen, dass Du Deinen Weg finden wirst. Ich habe Dir keinen Vertrauensvorschuss gewährt: dass Du mich – ganz gleich, wie viel Mist wir bauen – immer liebst und dass Dir mein Glück am Herzen liegt. Und das müsste doch eigentlich jeder Frau genügen – oder nicht? Ich fürchte, ich habe Dinge über Dich gesagt, die nicht wahr sind, und Du hast angefangen, sie zu glauben. Deshalb bin ich jetzt hier, um Dir zu sagen: Du bist so gut, so warmherzig. Du bist meine Sonne.
Wenn Amy bei mir gewesen wäre, wie sie es ja geplant hatte, hätte sie sich jetzt an mich gekuschelt, wie sie das gerne tat, ihr Gesicht in meiner Halsgrube, hätte mich geküsst und gelächelt und gesagt: Das bist du wirklich, weißt du. Meine Sonne . Meine Kehle war wie zugeschnürt, als ich mich noch ein letztes Mal im Haus meines Vaters umschaute, schließlich zur Tür ging, sie hinter mir zuzog und die Hitze wieder einsperrte. Im Auto öffnete ich den Brief mit der Aufschrift VIERTER HINWEIS. Wir mussten ziemlich nah am Ziel sein.
Stell dir vor: Ich bin ein böses, ein sehr böses Kind,
das bestraft werden muss und zwar ganz geschwind.
Da, wo verwahrt wird, was der fünfte uns bringt,
tut mir leid, wenn das etwas verworren klingt!
So schön war es hier in der Mittagssonne,
dann schnell einen Cocktail, oh welche Wonne.
Also lauf jetzt schnell hin, ja eile dich bloß,
und öffne die Tür – die Überraschung ist groß.
Mein Magen krampfte sich zusammen. Ich hatte keine Ahnung, was das Gedicht bedeuten sollte. Ich las es noch einmal. Nichts, nicht der geringste Anhaltspunkt. Offenbar hatte Amy aufgehört, es mir leichtzumachen, und vermutlich würde ich die Schatzsuche auch diesmal nicht zu Ende bringen.
Angst stieg in mir auf. Was für ein beschissener Tag. Boney hatte es auf mich abgesehen, Noelle war verrückt, Shawna war sauer, Hilary verbittert, die Frau von der Sicherheitsfirma war eine Zicke, und meine Frau hatte mich endgültig an den Punkt gebracht, wo ich mit meiner Weisheit am Ende war. Es war Zeit, diesen gottverdammten Tag zu beenden. Es gab nur eine Frau, deren Gegenwart ich in diesem Moment ertragen konnte.
Go warf nur einen einzigen Blick auf mich – völlig durch den Wind, wortkarg, überhitzt vom Aufenthalt im Haus unseres Vaters –, parkte mich auf der Couch und verkündete, sie würde mir Abendessen machen. Fünf Minuten später kam sie mit behutsamen Schritten zu mir zurück, mein Essen auf einem alten Fernsehtablett balancierend. Ein traditionelles Rezept für Notfälle: Gegrilltes Käsesandwich und BBQ-Chips, dazu ein Plastikbecher mit …
»Das ist kein Kool-Aid«, erklärte Go, »das ist Bier. Kool-Aid kam dir doch ein bisschen zu regressiv vor.«
»Das ist sehr nett und seltsam von dir, Go.«
»Morgen kannst du ja kochen.«
»Hoffentlich magst du Dosensuppe.«
Sie setzte sich neben mich auf die Couch, klaute sich ein Chip von meinem Teller und fragte etwas zu beiläufig:
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