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Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)

Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)

Titel: Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Entweder war sie eine verlogene Publicity-Nutte – sie liebte das Prestige, das damit einherging, mit einer Vermissten befreundet zu sein –, oder sie war schlicht verrückt. Eine Stalkerin, die wild entschlossen war, sich mit Amy anzufreunden, und als Amy ihr aus dem Weg gegangen war …
    »Haben Sie irgendwelche Informationen über Amy, Noelle?«, fragte ich.
    »Natürlich, Nick. Sie war meine beste Freundin.«
    Ein paar Sekunden starrten wir einander stumm an.
    »Und werden Sie Ihre Informationen mit uns teilen?«, fragte ich schließlich.
    »Die beiden Polizisten wissen, wo sie mich finden. Falls sie jemals dazu kommen.«
    »Das ist echt superhilfreich, Noelle. Ich werde dafür sorgen, dass die Detectives mit Ihnen sprechen.«
    Ihre Wangen wurden knallrot, zwei expressionistische Farbkleckse.
    Dann wandte sie sich ab und ließ mich stehen. Ich hatte einen unfreundlichen Gedanken, einen von denen, die einfach in mir hochstiegen und sich meiner Kontrolle völlig entzogen. Frauen sind total verrückt, dachte ich. Ohne Einschränkung: Nicht manche Frauen , nicht viele Frauen . Einfach nur: Frauen sind verrückt.
    Als es dunkel war, fuhr ich zum leerstehenden Haus meines Vaters, Amys Hinweis lag auf dem Beifahrersitz.
    Vielleicht fühlst du dich schuldig,
    weil du mich hierher verschleppt,
    ich geb es ja zu – das war auch nicht nett.
    Doch viel blieb nicht zu entscheiden,
    das soll es nun sein,
    lass Liebe erblüh’n in dem braunen Heim.
    Und mit etwas Goodwill, mein heißblütiger Mann,
    wird’s gut wieder werden, so gut es eben kann.
    Diese Botschaft war noch kryptischer als die anderen, aber ich war sicher, dass ich richtig lag. Amy gab sich mit Carthage zufrieden und verzieh mir endlich, dass wir hierhergezogen waren. Vielleicht fühlst du dich schuldig, weil du mich hierher verschleppt … das soll es nun sein. Das braune Heim war das Haus meines Vaters, das eigentlich blau war, aber hier machte Amy mal wieder einen Insiderwitz. Die hatte ich immer am liebsten gemocht, unsere Insiderwitze – durch sie fühlte ich mich Amy näher, als es endlose Beichten oder leidenschaftlicher Sex oder Gespräche bis zum Sonnenaufgang je schafften. In der Geschichte vom »kleinen braunen Haus« ging es um meinen Vater, und ich habe sie außer Amy keinem Menschen erzählt. Nach der Scheidung bekam ich meinen Vater so selten zu Gesicht, dass ich irgendwann beschloss, ihn mir als eine Figur aus dem Bilderbuch vorzustellen. Er war nicht mein wirklicher Vater – der mich geliebt und Zeit mit mir verbracht hätte –, sondern ein freundlicher, vage bedeutender Mann namens Mr. Brown, der sehr wichtige Dinge im Staatsdienst zu erledigen hatte und mich (sehr) gelegentlich als Tarnung benutzte, um sich leichter durch die Stadt bewegen zu können. Amy hatte Tränen in den Augen beim Zuhören, was ich nicht beabsichtigt hatte, denn es hätte eine Geschichte nach dem Motto Kinder sind schon komisch werden sollen. Sie sagte, jetzt wäre sie meine Familie, und sie würde mich genug lieben, um zehn schlechte Väter wettzumachen, und dass wir jetzt die Dunnes waren, wir beide. Dann flüsterte sie mir ins Ohr: »Ich habe eine Aufgabe, für die du sehr gut geeignet wärst …«
    Auch der Hinweis auf den ›Goodwill‹, mit dem wir etwas aus unserer Situation machen sollten, war ein Schritt zur Versöhnung. Nachdem mein Vater ganz dem Alzheimer verfallen war, beschlossen wir, sein Haus zu verkaufen, und Amy und ich gingen durch die Zimmer und packten Kisten mit Sachen, die wir der Wohlfahrt spenden wollten. Natürlich wirbelte Amy herum wie ein tanzender Derwisch – einpacken, aufheben, wegwerfen –, während ich wie versteinert die Sachen meines Vaters durchging. Für mich hatte alles irgendeine Bedeutung. Der Becher mit besonders starken Kaffeeflecken war bestimmt sein Lieblingsbecher. Womöglich ein Geschenk? Von wem? Oder selbst gekauft? Ich stellte mir vor, dass mein Vater schon den Akt des Einkaufens als unmännlich empfunden haben musste. Trotzdem fanden wir bei der Besichtigung seines Wandschranks fünf Paar Schuhe, nagelneu, noch in der Schachtel. Hatte er die selbst gekauft und sich dabei einen anderen, geselligeren Bill Dunne vorgestellt, nicht den, der hier einsam und allein allmählich verrückt wurde? War er zu Shoe-Be-Doo-Be gegangen, um sich von meiner Mutter helfen zu lassen, eine weitere Freundlichkeit in der langen Reihe ihrer beiläufigen Freundlichkeiten? Natürlich

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