Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
hinunter, obwohl sie eindeutig kein bisschen müde war, und schloss die Tür hinter sich, denn sie wusste genau, dass es das Netteste war, mich einfach allein zu lassen.
Diese Gabe haben nur wenige Menschen: zu wissen, wann es Zeit ist zu verschwinden. Die meisten Leute reden gern, aber mir lag das noch nie. Ich hielt zwar einen ununterbrochenen inneren Monolog, aber die Worte gelangten oft nicht bis zu meinen Lippen. Sie sieht heute besonders hübsch aus, dachte ich zum Beispiel, aber irgendwie kam ich nicht auf die Idee, es laut auszusprechen. Meine Mom redete, meine Schwester redete, ich war zum Zuhören erzogen worden. Ein dekadentes Gefühl, allein auf der Couch zu sitzen und nicht zu reden. Ich blätterte eine von Gos Zeitschriften durch, zappte mich durch die Fernsehkanäle und blieb schließlich bei einem alten Schwarzweißfilm hängen: Männer mit Filzhüten kritzelten Briefchen, während hübsche Hausfrauen erklärten, dass ihre Ehemänner nach Fresno gefahren waren, was zwei Cops wiederum dazu veranlasste, einen vielsagenden Blick zu wechseln und bedeutungsvoll zu nicken. Sofort musste ich an Gilpin und Boney denken, und mein Magen fing wieder an zu grummeln.
In meiner Tasche gab mein Wegwerfhandy ein Klimpern von sich. Ich hatte eine SMS bekommen:
ich steh draußen, mach die tür auf.
Amy Elliott Dunne
28. April 2011
Tagebucheintrag
Man muss einfach weitermachen, sagt Mama Mo immer, und wenn sie das sagt – jedes Wort betont, mit ihrer Gewissheit, als wäre es wirklich eine gültige Lebensstrategie –, dann ist das Klischee plötzlich keine leere Worthülse mehr, sondern wird real. Wertvoll. Einfach weitermachen, genau!, denke ich.
Das liebe ich wirklich am Mittelwesten: Die Menschen machen nicht so viel Wind. Nicht mal um den Tod. Mama Mo wird einfach weitermachen, bis der Krebs sie lahmlegt, und dann wird sie sterben.
Also ziehe ich den Kopf ein und mache das Beste aus einer schlechten Situation, und das meine ich im tiefgreifenden Mama-Mo-Wortsinn. Ich ziehe den Kopf ein und erledige meine Arbeit: Ich fahre Mo zu ihren Arztterminen und zur Chemo. Ich wechsle das abgestandene Wasser in der Blumenvase bei Nicks Vater, ich backe Kekse für das Heimpersonal, damit es sich gut um ihn kümmert.
Ich mache das Beste aus einer wirklich schlechten Situation, und dass die Situation so schlecht ist, daran ist hauptsächlich mein Mann schuld, der mich hierhergebracht, der mich entwurzelt hat, um näher bei seinen gebrechlichen Eltern zu sein, und der inzwischen jedes Interesse sowohl an mir als auch an besagten gebrechlichen Eltern verloren zu haben scheint.
Nick hat seinen Vater vollständig abgeschrieben: Er nimmt nicht mal mehr seinen Namen in den Mund. Ich weiß, dass Nick jedes Mal, wenn wir einen Anruf vom Comfort Hill kriegen, im Stillen hofft, dass sein Vater tot ist. Und was Mo angeht – Nick hat seine Mom zu einer einzigen Chemo-Sitzung begleitet und danach verkündet, dass er so etwas nicht aushält. Er hat gesagt, er hasst Krankenhäuser, er hasst kranke Menschen, er hasst die langsam tickende Zeit, eine sirupzäh tropfende Infusion. Er konnte das einfach nicht. Und als ich versuchte, ihn noch einmal dazu zu überreden, als ich versuchte, ihm mit ein bisschen Man muss eben tun, was man tun muss das Rückgrat zu stärken, meinte er, dann solle ich es doch tun. Also habe ich es getan. Natürlich macht Mama Mo ihm keinerlei Vorwürfe deswegen. Als wir eines Tages so dasaßen, uns mit einem Auge eine romantische Komödie ansahen, aber hauptsächlich unterhielten, während die Infusion leise tropfte, sah Mo mich an und sagte: »Du darfst nicht so hart sein mit Nick. Ich meine, weil er solche Dinge nicht machen will. Ich hab ihn immer abgöttisch geliebt, ich hab ihn verhätschelt und verwöhnt – ich konnte nicht anders. Dieses Gesicht. Deshalb fällt es ihm heute schwer, sich zu überwinden und schwierige Dinge zu tun. Aber das stört mich nicht, Amy. Ehrlich nicht.«
»Sollte es aber«, sagte ich.
»Nick muss mir seine Liebe nicht beweisen«, sagte sie und tätschelte meine Hand. »Ich weiß, dass er mich liebt.«
Ich bewundere Mos vorbehaltlose Liebe. Wirklich. Also sage ich ihr nicht, was ich auf Nicks Computer gefunden habe, das Buchprojekt über einen Journalisten aus Manhattan, der in seine Heimat Missouri zurückkehrt, um sich um seine beiden gebrechlichen Eltern zu kümmern. Nick hat alle möglichen absurden Geschichten auf seinem Computer, und manchmal kann ich mir ein
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