Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
bisschen Schnüffelei nicht verkneifen – das gibt mir wenigstens eine Vorstellung davon, was mein Ehemann so denkt. Zuletzt sein Suchprotokoll: Film noir, die Website seiner alten Zeitschrift und eine Studie über den Mississippi – ob es möglich ist, dass etwas von hier zum Golf von Mexiko auf dem Wasser treibt. Ich weiß, was er sich ausmalt: wie Huck Finn den Mississippi runterzufahren und einen Artikel darüber zu schreiben. Nick ist ständig auf der Suche nach Schreibideen.
Als ich das alles durchschnüffelte, bin ich auch auf das Buchprojekt gestoßen.
Doppelleben: Eine Untersuchung über Enden und Neuanfänge wird vor allem bei Männern der Generation X Anklang finden, bei den ursprünglichen Männer-Jungs, die gerade ihre ersten Erfahrungen damit machen, wie stressig es ist, für ihre alternden Eltern zu sorgen. In Doppelleben geht es um
mein wachsendes Verständnis für einen gestörten, emotional distanzierten Vater
meine schmerzhafte, aufgezwungene Verwandlung von einem sorglosen jungen Mann zum Oberhaupt einer Familie in der Auseinandersetzung mit dem Tod der geliebten Mutter
die Verbitterung meiner aus Manhattan stammenden Frau über diesen Abstecher aus ihrem vormals privilegierten Leben. Erwähnenswert ist hier, dass es sich bei meiner Frau um Amy Elliott Dunne handelt, die Inspiration für die Bestseller-Reihe Amazing Amy.
Das Projekt wurde nie fertiggestellt, vermutlich weil Nick gemerkt hat, dass er seinen emotional distanzierten Vater niemals verstehen würde, weil er sich vor allen Pflichten eines »Familienoberhaupts« drückte und weil ich keinerlei Verbitterung wegen meines neuen Lebens an den Tag legte. Ein bisschen Frustration, das schon, aber keine buchwürdige Wut. So viele Jahre hat mein Mann die emotionale Stabilität der Menschen aus dem Mittelwesten gepriesen: gelassen, bescheiden, ungekünstelt! Aber das ist kein Menschenschlag, der gutes Material für wissenschaftliche Untersuchungen abgibt. Man stelle sich den Umschlagtext vor: Die Leute benahmen sich meistens nett und unauffällig, und dann starben sie.
Trotzdem trifft es mich ein wenig – »die Verbitterung meiner aus Manhattan stammenden Frau«. Vielleicht fühle ich mich tatsächlich ein bisschen … bockig. Ich denke daran, wie konsequent nett Maureen ist, und mache mir Sorgen, dass Nick und ich vielleicht doch nicht füreinander bestimmt sind. Dass er glücklicher wäre mit einer Frau, die eine begeisterte Versorgerin und Hausfrau ist, und ich verachte diese Talente ja auch gar nicht – ich wünschte, ich hätte sie. Ich wünschte, es wäre mir wichtiger, dafür zu sorgen, dass Nick immer seine Lieblingszahncreme zur Verfügung hat, dass ich seine Kragenweite aus dem Kopf weiß, dass ich eine bedingungslos liebende Frau bin, deren größtes Glück darin besteht, ihren Mann glücklich zu machen.
So war ich eine Weile. Jedenfalls bei Nick. Aber leider hat es nicht gehalten. Ich bin nicht selbstlos genug. Einzelkind, wie Nick immer wieder betont.
Aber ich gebe mir Mühe. Ich mache einfach weiter, und Nick rennt in der Stadt herum, als wäre er wieder ein kleiner Junge. Er ist glücklich, seinen rechtmäßigen Platz als Prom-König zurückzuerobern – er hat ungefähr zehn Pfund abgenommen, sich einen neuen Haarschnitt und neue Jeans zugelegt und sieht verdammt gut aus. Aber das weiß ich nur von den wenigen Gelegenheiten, wenn ich mal einen Blick auf ihn erhaschen kann – er hat es nämlich immer eilig. Wenn ich ihn frage, ob ich irgendwohin mitkommen kann, lautet seine Standardantwort: Es würde dir nicht gefallen – ganz egal, wohin er gerade unterwegs ist. Genau wie er seine Eltern fallengelassen hat, als sie keinen Nutzen mehr für ihn hatten, so lässt er auch mich fallen, weil ich in seinem neuen Leben keinen Platz habe. Er müsste sich anstrengen, damit ich mich hier wohl fühle, und das will er nicht. Er möchte sich lieber amüsieren.
Hör auf damit, hör auf. Ich muss positiv denken. Wirklich. Ich muss meinen Mann aus meinen dunklen Schattengedanken herausholen und ein bisschen fröhliches goldenes Licht auf ihn scheinen lassen. Ich muss wieder besser darin werden, ihn zu lieben und zu ehren, verrückt nach ihm zu sein, so wie früher. Darauf reagiert Nick immer. Ich wünschte nur, es würde auf Gegenseitigkeit beruhen. Mein Gehirn ist so mit Nick-Gedanken beschäftigt, es ist wie ein Bienenschwarm in meinem Kopf: Nicknicknicknicknick! Und wenn ich mir seine Gedanken vorstelle, höre ich meinen
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