Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
kreischte wieder, ein Quäken, das gefährlich zwischen einem Lachen und einem Wutanfall schwankte.
»Was ist mit ihr?«
»Ich weiß nicht, ob Sie es im Fernsehen gesehen haben, aber Amy wird vermisst. Sie ist am 5. Juli verschwunden, unter potentiell gewaltsamen Umständen.«
»Oh, das tut mir leid.«
»Ich bin Nick Dunne, Amys Mann. Ich bin dabei, alte Freunde von Amy anzurufen.«
»Ach ja?«
»Ich wollte fragen, ob Sie Kontakt zu ihr hatten. In letzter Zeit.«
Sie atmete ins Telefon, drei tiefe Atemzüge. »Geht es um diesen Quatsch damals in der Highschool?« Im Hintergrund rief die flehende Stimme eines Kindes: »Mooo-oom, ich braaaauch dich!«
»Ich komm gleich, Jack«, rief die Frau in den leeren Raum hinter ihr. Dann wandte sie sich mit wütender Stimme wieder an mich: »Ja? Rufen Sie deshalb an? Weil das nämlich zwanzig Jahre her ist. Mindestens.«
»Ich weiß. Ich weiß. Schauen Sie, ich muss Sie fragen, ich wäre ein Arschloch, wenn ich es nicht tue.«
»Verdammt nochmal. Ich hab inzwischen drei Kinder. Seit der Highschool hab ich kein Wort mehr mit Amy gesprochen. Ich hab meine Lektion gelernt. Wenn ich Amy auf der Straße sehen würde, würde ich kehrtmachen und weglaufen.« Das Baby brüllte. »Ich muss Schluss machen.«
»Nur ganz kurz, Hilary …«
Sie legte auf, und im nächsten Moment klingelte mein Wegwerfhandy. Ich ignorierte es. Ich musste unbedingt einen Platz finden, wo ich das verdammte Ding verstauen konnte.
Eine Frau war in meiner Nähe, das spürte ich, aber ich schaute nicht auf und hoffte, dass sie wieder ging.
»Es ist noch nicht mal Mittag, und du siehst schon aus, als hättest du einen anstrengenden Tag hinter dir, armer Schatz.«
Shawna Kelly. Heute hatte sie die Haare zu einem mädchenhaften Pferdeschwanz hochgebunden. Sie zog einen mitfühlenden Schmollmund. »Na, bereit für meine Frito Pie?« Sie hatte eine Auflaufform dabei, die sie direkt unter ihren Busen presste. Die Folie schwitzte. Ihre Frage klang wie aus einem Achtziger-Jahre-Hair-Rock-Video. Magste was von meiner Pie?
»Ich hab gut gefrühstückt. Aber danke. Echt nett von Ihnen.«
Aber statt wegzugehen, setzte sie sich. Ihre Beine unter dem türkisfarbenen Tennisrock waren so gut eingecremt, dass sie glänzten. Sie stupste mich mit einem makellosen Turnschuh. »Schläfst du denn auch gut, Süßer?«
»Erträglich.«
»Du musst schlafen, Nick. Wenn du erschöpft bist, nutzt das keinem.«
»Ich geh wahrscheinlich gleich, mal sehen, ob ich mich ein paar Stündchen hinlegen kann.«
»Ich glaube, das solltest du. Unbedingt.«
Auf einmal war ich ihr sehr dankbar. Meine Mamasöhnchen-Haltung meldete sich. Gefährlich. Unterdrück sie, Nick .
Ich wartete, dass sie endlich ging. Sie musste gehen – die Leute fingen schon an, uns zu beobachten.
»Wenn du willst, kann ich dich nach Hause fahren«, sagte sie. »Ein Nickerchen wäre bestimmt genau das Richtige für dich.«
Sie streckte die Hand aus, um mein Knie zu berühren, und auf einmal wurde ich sehr wütend, weil sie nicht merkte, dass sie verschwinden musste. Lass deinen Auflauf stehen, du aufdringliche Groupie-Nutte, und verzieh dich. Jetzt kam Daddys Junge zum Vorschein. Genauso schlimm.
»Warum meldest du dich nicht bei Marybeth?«, sagte ich brüsk und deutete zu meiner Schwiegermutter, die neben dem Kopierer stand und zahllose Kopien von Amys Foto machte.
»Okay.« Aber sie stand nicht auf, also ignorierte ich sie wieder. »Dann lass ich dich mal alleine«, säuselte sie schließlich. »Hoffentlich schmeckt dir die Pie.«
Meine abweisende Haltung hatte sie verletzt, das merkte ich, denn sie nahm keinen Blickkontakt mehr auf, sondern drehte sich nur um und wanderte davon. Sofort fühlte ich mich schlecht, zog in Erwägung, mich zu entschuldigen und einen auf gut Wetter zu machen. Lauf ihr nicht nach, befahl ich mir.
»Irgendwas Neues?« Es war Noelle Hawthorne, die den Platz einnahm, den Shawna gerade verlassen hatte. Sie war jünger als Shawna, wirkte aber älter – ein rundlicher Körper mit weit auseinanderliegenden unfruchtbaren Busenhügeln. Und einem finsteren Gesichtsausdruck.
»Bisher nicht, nein.«
»Bisher scheinen Sie ja ganz gut klarzukommen.«
Ich zuckte mit dem Kopf und wusste nicht, was ich darauf antworten sollte.
»Wissen Sie überhaupt, wer ich bin?«
»Selbstverständlich. Sie sind Noelle Hawthorne.«
»Ich bin Amys beste Freundin.«
Davon musste ich die Polizei unbedingt verständigen: Bei Noelle gab es
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