GONE Lügen
er ist in der Nähe. Ich spüre ihn.«
Beim Anblick ihrer Zahnspange, in der Erdklümpchen und kleine Kieselsteine steckten, schauderte es ihn.
Er schob sich an ihr vorbei und blieb an der Tür zur Kita stehen. Zwei seiner Soldaten eilten zu ihm.
»Bleibt hier, außer ich rufe euch.« Er trat seitlich durch die Tür und schwang den Lauf seiner Pistole von links nach rechts.
Nichts. Leer.
Mary musste ein Gespenst gesehen haben oder wirklich nicht mehr ganz bei Trost sein, wie Astrid behauptet hatte.
Edilio senkte die Waffe und spürte das Zittern seines Fingers auf dem Abzug. Er zog ihn vorsichtig heraus und legte ihn auf die Sicherung.
Dann sah er die Plastikplane mit dem langen Riss durch die Mitte.
»Mary«, sagte Nerezza, »gleich passiert etwas Schreckliches.«
Mary starrte an ihr vorbei in die Menge. Sie sah Edilio aus der Kita kommen. Er war weiß wie die Wand und machte ein Gesicht, als wäre er einem Gespenst begegnet.
»Der Dämon ist auf dem Weg hierher«, beharrte Nerezza. »Alles wird brennen und zerstört werden. Du musst die Kinder in Sicherheit bringen.«
Mary schüttelte hilflos den Kopf. »Ich hab nur noc h … Mir bleibt kaum noch Zeit.«
Nerezza legte eine Hand auf ihre Schulter. »Mary, nicht mehr lange und du bist frei und bei deiner Mutter.«
»Bitte!«, flehte Mary sie an.
»Vorher musst du den Kindern aber noch einen letzten großen Dienst erweisen. Du darfst sie nicht ihrem Schicksal überlassen.«
»Was soll ich denn tun?«
»Bring sie zur Prophetin. Sie wartet an ihrem Platz. Bring die Kinder dorthin. Zur Klippe über dem Strand.«
Mary zögerte. »Abe r … ich hab nichts zu essen für sie und kein e … ic h …«
»Es ist für alles gesorgt. Vertraue der Prophetin, Mary. Glaube an sie.«
Mary hörte einen entsetzten Aufschrei. Er kam vom anderen Ende der Plaza. Dann gellten die ersten Schmerzensschreie über den Platz. Sie sah Kids, die in Panik davonliefen.
»Tod den Freaks!«, brüllte Zil.
Ein Schuss wurde abgefeuert. Marys Blick lag auf ihren Schützlingen, die sich verängstigt aneinanderdrängten.
»Kinder!«, befahl sie. »Kommt, folgt mir!«
Die Kleinen, die ihre Eltern und Großeltern, ihre Geschwister und Freunde verloren hatten, die alleingelassen, hungrig und zutiefst verängstigt waren, hatten längst begriffen, dass sie nur einem Menschen trauen konnten: Mary.
»Kommt her zu mir!«
Sie eilten zu ihr, scharten sich um sie und folgten ihr von der Plaza zum Strand.
Brittney war von einer ihr unbegreiflichen Kraft zur Plaza getrieben worden.
Jetzt sah sie die davonlaufenden Kinder.
»Fliehen sie wegen des Dämons?«, fragte sie ihren Engelsbruder.
»Ja«, antwortete Tanner. »Deinetwegen.«
Die Kinder flohen vor ihr?
Edilio trat aus der Kita, das Gesicht versteinert vor Angst. Er kam auf sie zu, den Blick starr auf sie gerichtet und die Augen so weit aufgerissen, dass das Weiße hervortrat.
Sie verstand nicht, weshalb er sich vor ihr fürchtete. Sie war eine Dienerin des Herrn. Gekommen, um den Dämon zu bekämpfen.
Sie war wie festgewachsen, außerstande, ihre Glieder in Bewegung zu setzen, nicht einmal ihr Blick gehorchte mehr ihrem Willen. Als wäre sie tot, dachte sie, als verstopfte ihr die kalte Erde wieder Ohren und Mund.
Edilio zielte auf sie.
»Nicht!«, wollte sie rufen, aber es kam kein Ton über ihre Lippen.
»Drake«, sagte Edilio.
Er würde sie erschießen. Würde sie noch einmal sterben?
Doch als eine Gruppe fliehender Kinder dazwischenlief, verriss Edilio den Lauf nach oben.
»Jetzt!«, drängte Tanner.
Sie gehorchte und rannte los. Das Laufen fiel ihr schwer, denn ihr Arm wurde immer länger und ihr Bewusstsein schien sich zurückzuziehen und einem anderen Platz zu machen.
Astrid sah die Kleinen mit Mary davonlaufen, eine panische Schar schreiender Kinder, die von der Plaza in Richtung Strand flohen. Direkt dahinter folgten Marys Helfer mit den Babys im Arm.
Alles geschah so schnell, dass sie zunächst gar nicht reagieren konnte.
Zil, der mit einer Schrotflinte in die Luft schoss.
Edilio, der totenblass aus der Kita trat.
Nerezza, die bloß dastand und lächelte.
Brittney mit dem Rücken zu Astrid.
Und der kleine Pete, der sein Spiel mit einer Intensität spielte wie nie zuvor und ihr wie ein Irrer vorkam.
Nerezza kam jetzt rasch und entschlossen auf sie zu. Sie hielt etwas in der Hand. Eine Brechstange. Wollte Nerezza sie damit schlagen? Aber wieso denn?
Nerezza holte aus und ließ die Brechstange mit voller
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