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GONE Lügen

GONE Lügen

Titel: GONE Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Grant
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beschrieben wurde, wie ein Soldat einen Hubschrauber flog.
    Ganz ohne Recherche konnte der Autor das Buch ja wohl nicht verfasst haben. Die Beschreibungen klangen jedenfalls zu gut, um frei erfunden zu sein.
    So oder so war das alles völlig verrückt. Wie sollte er auf diese Weise lernen, wie man einen Hubschrauber steuerte?
    Bowie warf seinen Kopf hin und her, als hätte er einen bösen Traum. Sanjit beugte sich vor und legte ihm die Hand auf die feuchte Stirn. Sie glühte.
    Bowie war ein hübscher Junge. Strahlende blaue Augen und leicht vorstehende Zähne. Und so hellhäutig, dass er ihn manchmal an eine dieser Gottheiten aus weißem Marmor erinnerte, die Sanjit in seiner Kindheit in Bangkok gesehen hatte.
    Bloß fühlten die sich kühl an, wenn man sie berührte. Bowie nicht.
    Leukämie? Nein, sicher nicht. Aber eine Erkältung oder Grippe war es auch nicht. Dafür dauerte es schon viel zu lange. Außerdem war von ihnen sonst niemand krank geworden. Es konnte also auch nichts Ansteckendes sein.
    Sanjit wollte diesen kleinen Jungen nicht sterben sehen. Er hatte das schon ein paarmal miterlebt. Bei dem alten Bettler, dem beide Beine gefehlt hatten, bei einer Frau, die in einem Durchgang von Bangkok ihr Kind zur Welt gebracht hatte und dabei verblutet war, bei einem Mann, der von einem Zuhälter erstochen worden war.
    Und bei einem Jungen namens Sunan.
    Sunan war sein Schützling gewesen. Seine Mutter war auf den Strich gegangen. Eines Tages verschwand sie spurlos. Niemand wusste, ob sie noch lebte oder gestorben war. Und Sunan stand plötzlich auf der Straße, ohne groß Bescheid zu wissen. Sanjit hatte ihn unter seine Fittiche genommen und ihm beigebracht, wie man Essen stahl, wie man sich aus dem Staub machte, wenn man dabei erwischt wurde, wie man den Touristen Geld abluchste, indem man ihr Gepäck trug, und wie man von den Ladenbesitzern eine Provision dafür bekam, wenn man die Touristen in ihr Geschäft lotste.
    Wie man überlebte. Aber nicht, wie man schwamm.
    Als Sanjit ihn aus dem Chao Phraya Fluss zog, war es zu spät gewesen. Er hatte den Jungen nur ganz kurz aus den Augen gelassen. Bis er sich umgedreht und ihn rausgeholt hatte, war es schon vorbei gewesen.
    Sanjit lehnte sich wieder zurück und las weiter. Seine Hände zitterten.
    Peace kam im Pyjama herein und rieb sich die Augen.
    »Ich hab Noo Noo vergessen«, sagte sie.
    »Ah.« Sanjit blickte sich um. Er entdeckte die Puppe auf dem Boden, hob sie auf und hielt sie ihr hin. »Ohne Noo Noo schläfst du nicht gut, stimmt’s?«
    Peace nahm die Puppe und legte sie sich in den Arm. »Wird Bowie wieder gesund?«
    »Ich hoffe es.«
    »Lernst du, wie man einen Hubschrauber fliegt?«
    »Ja. Ist auch gar nicht schwer. Da gibt es ein paar Pedale für die Füße und so einen Knüppel, den man Höhensteuer nennt, und noch einen, de r … ich hab vergessen, wie er heißt. Aber mach dir keine Sorgen.«
    »Ich mach mir immer Sorgen, nicht wahr?«
    »Ja.« Sanjit lächelte sie an. »Aber das ist nicht schlimm, weil die Dinge, die dir Sorgen machen, nie passieren. Hab ich Recht?«
    »Stimmt schon«, gestand Peace ein. »Aber die Dinge, die ich mir wünsche, passieren auch nicht.«
    Sanjit seufzte. »Tja, ich tu mein Bestes.«
    Peace umarmte ihn. Dann drückte sie ihre Puppe an sich und verließ den Raum.
    Sanjit kehrte zu seiner Geschichte zurück, in der es gerade um irgendeine Schießerei ging. Er überflog die Stelle, blätterte weiter und suchte nach Beschreibungen, die ihm erklärten, wie man einen Hubschrauber in die Luft bekam. Von einem Boot aus. Neben einer Felswand.
    Mit allen Menschen an Bord, die einem wichtig waren.

Siebzehn
    15 Stunden, 59 Minuten
    »Mary, darf ich bei dir bleiben?«
    »Nein, mein Süßer. Geh wieder ins Bett.«
    »Ich bin aber nicht müde.«
    Mary fasste den Vierjährigen an der Schulter und brachte ihn in den Hauptraum zurück. Pritschen auf dem Boden, schmutzige Bettwäsche. Aber dagegen konnte sie jetzt auch nichts mehr unternehmen.
    Deine Mutter sagt, du hast genug getan, Mary.
    Manche nannten sie Mutter Mary. Als wäre sie die Heilige Jungfrau. Die Kids sagten ihr in einem fort, wie sehr sie sie bewunderten und verehrten. Und was hatte sie davon? Nicht viel, das stand fest. Sie musste sich trotzdem tagaus, tagein und Nacht für Nacht abrackern, sich mit den unwilligen Helfern herumschlagen, endlose Streitereien wegen irgendwelchen Spielsachen schlichten, die älteren Kids abwimmeln, die ihre kleineren Geschwister in der Kita

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