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GONE Lügen

GONE Lügen

Titel: GONE Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Grant
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Stefano Rey Nationalpark gelebt und war erst Monate nach Beginn der FAYZ in die Stadt gekommen. Ihre Kräfte hatten sich jedoch schon vorher bemerkbar gemacht, denn in ihrem Kopf waren völlig unvermutet die sonderbarsten Bilder aufgetaucht. Eine Zeit lang dachte sie, den Verstand zu verlieren, bis sie dahintergekommen war, dass sie die Träume anderer Menschen sah. Sie ging in ihren Traumwelten spazieren, sah, was sie sahen, fühlte, was sie fühlten.
    Bei manchen Leuten hatten sich auch entsetzliche Abgründe aufgetan. So war sie einmal in Drakes Kopf gewesen, einer vor Hass, Wut und nackter Gewalt brodelnden Schlangengrube, deren Anblick sie niemandem wünschte.
    Mit der Zeit schienen ihre Kräfte gewachsen zu sein und sich weiterentwickelt zu haben. Und eines Tages war Edilio mit ihr in die Wüste gefahren, zum Monster im Minenschacht, damit sie in dessen Gedankenwelt eindrang. Sie nannten es Gaiaphage. Oder die Dunkelheit.
    Aber stattdessen war das Ungeheuer in ihren Kopf eingedrungen. Wie mit einem Skalpell, das sich Stück für Stück durch ihr Gehirn arbeitete und alle Schutzmechanismen zerstörte. Seitdem war für sie nichts mehr so wie vorher. Ihre Kräfte hatten danach ein neues, ungutes Level erreicht.
    Wenn sie die Wand berührte, konnte sie die Träume der Menschen auf der anderen Seite sehen. Sogar jetzt, während sie noch kletterte und sich der Barriere erst näherte, spürte sie ihre Anwesenheit. Doch um ihre Stimmen zu hören, um in ihre Träume zu treten, musste sie die Barriere berühren. Und die, die sich auf der anderen Seite der grauen Milchglasscheibe befanden, mussten sie ebenfalls berühren.
    Das Seltsame war, dass es fast immer klappte. Zu Beginn hatte sie Zweifel gehabt und manchmal kehrten diese Zweifel zurück. Aber das, was sie sah, war einfach viel zu plastisch, um nicht echt zu sein. Außerdem hatte Nerezza ihr irgendwann gesagt: »Dinge, die sich echt anfühlen, sind echt. Hör auf, an dir selbst zu zweifeln, Prophetin.«
    Manchmal zweifelte sie an Nerezza. Gesagt hatte sie ihr das aber noch nie. Nerezza war eine unglaublich starke Persönlichkeit und von einer Überzeugungskraft, gegen die sie machtlos schien.
    Aber immer öfter machte ihr Nerezzas Gewissheit auch Angst.
    Orsay hatte die Spitze des Felsens erreicht. Als sie sich umwandte, stellte sie überrascht fest, dass sich viel mehr Leute als sonst um den Fuß des Felsens drängten.
    Nerezza stand nur einen Schritt von Orsay entfernt. Sie war zu ihrem Schutz da und um die Kids daran zu hindern, auf den Felsen zu klettern.
    »Sieh nur, wie viele gekommen sind«, sagte sie.
    »Ja. Zu viele. Wie soll ic h …?«
    »Hör einfach auf, wenn du nicht mehr kannst«, fiel ihr Nerezza ins Wort. »Niemand erwartet von dir, dass du unerträglich leidest. Wichtig ist nur, dass du für Mary prophezeist.«
    »Es tut so weh«, sagte Orsay, obwohl sie ihre Worte im nächsten Moment bereute. Alle Gesichter waren auf sie gerichtet und in ihren Mienen lag eine Mischung aus Angst, Hoffnung und Verzweiflung.
    »Siehst du! Sie kommen trotz Astrids Lügen.«
    »Astrid?« Orsay runzelte die Stirn. Nerezza erwähnte Astrid nicht zum ersten Mal. Aber meistens war Orsay in Gedanken woanders, bekam nur am Rande mit, was sich um sie herum tat. Seit jenem Tag, als sie die Dunkelheit berührt hatte, wurde sie den Eindruck nicht mehr los, dass sie die Farben ihrer Umgebung nur noch wie durch einen Grauschleier sah und alles bloß gedämpft hörte. Wenn sie etwas berührte, spürte sie es wie durch eine Mullbinde.
    »Ja, Astrid, das Genie. Sie erzählt Lügen über dich.«
    Orsay schüttelte den Kopf. »Du musst dich irren. Astrid ist durch und durch ehrlich.«
    »Da irrst du dich. Taylor und Howard und noch ein paar wurden von ihr beauftragt, die Lügen zu verbreiten. Inzwischen haben alle davon gehört. Aber sieh nur, wie viele trotzdem gekommen sind!«
    »Vielleicht sollte ich damit aufhören.«
    »Prophetin, du darfst dich von ihren Lügen nicht einschüchtern lassen. Von Astrid haben wir nichts zu befürchten. Sie mag ein Genie sein, aber sie sieht nicht, was sich direkt vor ihrer Nase abspielt.«
    Nerezza lächelte auf ihre rätselhafte Weise, dann schüttelte sie sich, als erwachte sie aus einem Tagtraum, und bevor Orsay fragen konnte, was sie damit meinte, sagte sie: »Die Sirene soll singen.«
    Orsay hatte Jill erst zweimal singen hören. Beide Male war es eine fast schon übernatürliche Erfahrung gewesen. Es war auch völlig unwichtig, was sie sang,

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