GONE Verloren
Kühlschrank herrschte bis auf ein Fläschchen Zitronensaft, Sojasoße, eine längst abgelaufene Milchpackung und einen schrumpeligen grünen Salat gähnende Leere.
In der Tiefkühltruhe sah es schon besser aus. Sie fand dort scharfe Chicken Wings, etwas in einem Plastikbehälter und eine Pizza für die Mikrowelle.
»Oh ja!«, sagte Lana begeistert.
Sie schob die Pizza in die Mikrowelle und drückte auf die Tasten. Es war faszinierend zuzusehen, wie sich die Pizza drehte. Während sie auf das Pling wartete, lief ihr das Wasser im Munde zusammen.
Sie aß die Pizza mit den Händen, riss die klebrigen Stücke einfach ab, schob sie sich zusammengefaltet zwischen die Zähne und wischte mit dem Finger die Tomatensoße auf, die auf die Ablage tropfte.
»Du willst sicher auch was.« Patrick war neben ihr aufgetaucht, wedelte mit dem Schwanz und sah sie erwartungsvoll an. Sie warf ihm ein Stück zu, das er in der Luft auffing.
»Wir haben ganz schön was durchgemacht, was, mein Kleiner?«
Lana ging nach oben. Sie fand das Bad und stand eine halbe Stunde unter dem heißen Wasserstrahl der Dusche. Das Wasser strömte rot und schwarz gefärbt in den Abfluss.
Dann stellte sie Patrick unter die Dusche, schäumte ihn ein, spülte alles ab und scheuchte ihn aus der Kabine. Er schüttelte sich ausgiebig.
Lana wickelte sich in ein Badetuch und machte sich auf die Suche nach frischen Kleidern. Elwood schien keine Schwestern zu haben, aber seine Mutter war offenbar zart gebaut. Sie wählte ein paar Sachen aus und stellte sich unter Zuhilfenahme mehrerer Gürtel ein Outfit zusammen.
Als sie ihre ramponierten Klamotten aufhob, schlug ihr ein Gestank entgegen, der sie beinahe in Ohnmacht fallen ließ.
»Mann, Patrick, hab ich wirklich so gestunken? Ich muss das Zeug verbrennen.«
Doch dann stopfte sie die blutbefleckten, dreckverkrusteten und verschwitzten Lumpen einfach in einen Müllsack. Im Wandschrank von Elwoods Mutter fand sie schließlich noch ein paar Schuhe, die ihr einigermaßen passten.
Sie lief beschwingt nach unten und fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr. Als ihr Blick auf das Telefon fiel, konnte sie der Versuchung nicht widerstehen und nahm den Hörer ab. Sie würde ihre Mom anrufen. Ihr alles erzählen – na gut, fast alles. Die anderen hatten ihr gesagt, dass das in der FAYZ gar nicht möglich sei, aber sie konnte es ja mal probiere n …
»Kein Freizeichen, Patrick.«
Lanas Stimmung schlug um. »Weißt du was? Ich glaub, ich geh jetzt mal eine Runde weinen.«
Es kamen aber keine Tränen. Nach einer Weile seufzte sie und setzte sich mit einer warmen Pepsi-Dose auf die Veranda.
Es war mitten in der Nacht. Auf der Straße war es still. Sie befand sich in der Stadt, in der sie aufgewachsen war, aber schon seit Jahren nicht mehr lebte. Sie hatte ein paar Kids von früher getroffen, die sie unter ihrer Dreckschicht allerdings nicht erkannt hatten.
»Ich würde gerne irgendwohin gehen«, sagte sie zu ihrem Hund. »Ich weiß bloß nicht, wohin.«
Ein Auto bog in die Straße. Es fuhr langsam und wurde eindeutig von einem Anfänger gesteuert.
Lana verspannte sich, stellte sich darauf ein, notfalls sofort ins Haus zu flüchten und die Tür hinter sich abzuschließen. Sie hob die Hand wie zum Gruß, konnte den Fahrer aber nicht erkennen. Er schien auch nicht anhalten zu wollen. Das Auto fuhr an ihr vorbei und verschwand in der nächsten Seitenstraße.
Eine Patrouille oder so was, dachte sie.
Sie blieb noch eine Zeit lang auf der Veranda, dann kehrte sie ins Haus zurück.
Sie erkannte den Jungen in der Küche auf Anhieb.
Patrick knurrte.
»Hallo, Freak«, sagte Drake.
Lana wich zurück, aber es war zu spät. Drake richtete seine Pistole auf sie.
»Ich bin zwar Rechtshänder, zumindest war ich das, bevor Sam meine Hand abgefackelt hat. Aber aus dieser Entfernung treffe ich auch mit der Linken.«
»Was willst du?«
Drake wies auf den Stumpf seines rechten Arms. Er war knapp oberhalb des Ellbogens abgetrennt worden. »Na was wohl?«
Sie war Drake erst einmal begegnet, aber er hatte sie auf Anhieb an Pack Leader erinnert: Beide waren stark, hyperwachsam und gefährlich. Jetzt war sein Körper ausgemergelt, das Haifischgrinsen zu einer Grimasse verzerrt und die Augen hatten rote Ränder. Sein einst gelangweilt wirkender Blick war einem unberechenbaren Funkeln gewichen.
»Ich kann es versuchen«, sagte Lana.
Sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz. Seiner Kehle entwich ein tiefes Stöhnen.
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