GONE Verloren
angenehmer Ort gewesen. Jeder zweite an der Schule war schon mal gewalttätig geworden, und sei es nur, um zu überleben. Mit seiner Kraft hatte Caine es geschafft, dass alle vor ihm kuschten – ihn rührte keiner an.
In Dianas Augen war Bug ein Kriecher, vor dem sich kein Mensch fürchten musste. Eine Kreatur wie Howard, ein Stiefellecker, ein Schleimer. Doch eines Tages, als Frederico ihm Prügel androhte, hatte sich seine Kraft gezeigt: Aus lauter Angst war Bug plötzlich verschwunden.
Obwohl – verschwunden war nicht das richtige Wort. Es war eher so, dass er wie ein Chamäleon die Farbe seiner Umgebung annahm. Wenn er zum Beispiel vor einem Kaktus stand, wurde er zusammen mit seiner Kleidung grün und es sah so aus, als wären ihm Stacheln gewachsen. Nur wer wusste, dass er da war und genau hinschaute, konnte ihn dann noch erkennen.
»Du kennst ihn«, sagte Diana. »Er holt sich seine Streicheleinheiten. Außer Sam oder seine Leute entdecken ihn.«
In diesem Moment ging die Eingangstür auf und wieder zu. Etwas bewegte sich über die Tapete, als rollte eine kaum wahrnehmbare Welle über sie hinweg.
»Wenn man vom Teufel sprich t …«, sagte Diana.
Caine war mit einem Schritt bei ihm. »Was hast du herausgefunden?«
Bug ließ seine Tarnung fallen und wurde wieder ein braunhaariger Junge mit vorstehenden Zähnen und Sommersprossen auf der Nase. »Eine Menge. Sam ist in der Stadt. Er steht vor der Kita. Es sieht aber nicht so aus, als würde er was unternehmen.«
»Wie meinst du das?«
»Na ja, er steht bloß da und isst. Aus einer McDonald’s-Tüte.«
Caine starrte ihn an. »Was?«
»Er isst. Pommes. Schätze, er ist hungrig.«
»Weiß er, dass Drake und Pack Leader die Kleinen gefangen halten?«
Der Junge zuckte die Achseln. »Vermutlich.«
»Und er steht bloß rum?«
»Was soll er denn sonst tun?«, warf Diana ein. »Er weiß, dass wir die Kinder in unserer Gewalt haben. Jetzt wartet er darauf, dass wir ihm sagen, was wir fordern.«
Caine knabberte nervös an seinem Daumennagel. »Er führt etwas im Schilde. Wahrscheinlich ahnt er, dass wir ihn im Auge behalten. Also sorgt er dafür, dass wir ihn sehen. Da stimmt was nicht.«
Diana schüttelte den Kopf. »Drake und die Kojoten sind bei den Kindern. Er hat keine Wahl. Er muss tun, was du von ihm verlangst.«
»Nein, er hat etwas vor«, sagte Caine nachdenklich.
Lana rührte sich. Sie sah Caine an und schien ihn zum ersten Mal richtig wahrzunehmen.
»Was ist?«, fragte Diana sie.
»Nichts.« Lana streichelte ihren Hund. »Gar nichts.«
»Ich muss es jetzt tun«, sagte Caine zu Diana.
»Laut Plan bleiben wir bis knapp vor eurer Geburtsstunde hier. Egal, was passiert, auf diese Weise verliert e r …«
»Du glaubst, er kann mich besiegen, nicht wahr?«
»Nein, aber er hat ein paar Tage Zeit gehabt, um sich vorzubereiten. Außerdem hat er mehr Leute. Und manche von ihnen, vor allem die Freaks aus Coates, wünschen sich nichts sehnlicher als deinen Tod.« Diana trat näher an ihn heran und blickte ihm in die Augen. »Caine, bisher hast du jeden Rat von mir über den Haufen geworfen. Zuerst hörst du mir zu, dann tust du garantiert das Gegenteil. Ich hab dir gesagt, lass die Freaks gehen, die nicht mitspielen wollen. Aber nein, du musstest Drakes paranoiden Ratschlag befolgen. Ich hab gesagt, geh nach Perdido Beach und mach mit ihnen einen Deal, damit wir was zu essen haben. Und was tust du? Du kannst es nicht lassen und musst auch gleich noch das Kommando übernehmen. Jetzt wirst du wieder tun, was du willst, und am Ende geht wahrscheinlich alles schief.«
»Du irrst dich. Das hier wird meine Welt sein.« Er schlug sich auf die Brust. »Ich. Ich werde die FAYZ regieren, nicht umgekehrt. Die FAYZ hat keine Macht über mich.«
»Es ist immer noch Zeit, es bleiben zu lassen.«
Er grinste fies und sie sehnte sich nach seinem einst so charmanten Lächeln. »Du irrst dich schon wieder. Es ist Zeit zu siegen. Zeit, Bug mit meinen Bedingungen zu Sam zu schicken.«
»Ich gehe zu ihm«, wandte Diana rasch ein. Das war dumm, denn in Caines Augen blitzte ein Verdacht auf.
»Bug, du weißt, was du ihm sagen musst. Los!«
Der Junge verschmolz mit dem Hintergrund, dann ging die Tür auf und wieder zu.
Caine nahm Dianas Hand. Sie wollte sie ihm entziehen, tat es aber nicht.
»Alle raus hier!«, befahl Caine.
Howard stand schwerfällig auf. Lana ebenso.
Als sie allein waren, zog Caine sie an sich und umarmte sie ungeschickt.
»Was tust du da?«
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