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Good Girls

Titel: Good Girls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Ruby
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meinem Schließfach, und ich konzentriere mich auf die Bewegungen, die ich machen muss, um meine Bücher herauszunehmen. Mathe, Englisch, Geschichte. Wir behandeln gerade die amerikanische Verfassung. Im Geiste gehe ich die zehn Verfassungszusätze durch. Erstens: Rede- und Pressefreiheit. Zweitens: das Recht, eine Waffe zu besitzen. Drittens: In Friedenszeiten darf eine Regierung Privathäuser nicht ohne Genehmigung als Unterkunft für die Armee nehmen. Viertens: Privathäuser dürfen nicht ohne gerichtlichen Beschluss durchsucht werden und man darf auch nichts beschlagnahmen. Beschlagnahmung. Ist das eine Beschlagnahmung? Fühlt sich jedenfalls so an. Jemand hat mir die Haut vom Leib gerissen und nun liegen meine Arterien bloß. Ich weiß genau, was alle denken und sagen: Was? Ausgerechnet die? Wer hätte gedacht, dass Streberinnen so leicht zu haben sind?
    Im Flur ertönt plötzlich lautes Gejohle. Jemand ruft: »He, Luke! Mach mal dein Handy an. Das musst du dir unbedingt ansehen!«
    Ich will nicht hinsehen, aber ich kann nicht anders. Ich drehe mich um und sehe, wie Luke von einer Schülerschar umringt wird. Ein Junge streckt ihm sein Handy entgegen.
    »Was ist das denn?«, fragt Luke und nimmt einen langen Schluck aus seinem Milchshake.
    »Sieh’s dir einfach mal an!«
    Luke zuckt die Schultern und nimmt das Handy in die Hand. Einer der Hohlbirnen deutet auf das Foto. »Das muss Audrey Porter sein«, sagt er. Er sagt es laut und deutlich. Es ist ihm völlig egal, dass ich nur ein paar Meter von ihm entfernt stehe. Es ist ihm egal, dass ich es höre.
    Luke bleibt abrupt stehen. Mit zusammengezogenen Augenbrauen starrt er auf das Bild. Dann wirft er dem Jungen das Handy zurück. »Woher willst du wissen, wer das ist?«
    »Ach, komm schon! Das ist die Porter. Wer sonst? Bist du das mit ihr?«
    Luke geht rasch weiter und kommt auf mich zu. Er sieht weder mich noch Ash an. Sein Blick ist starr geradeaus auf die Türen am Ende des Flurs gerichtet. »Man sieht überhaupt keine Gesichter«, sagt er. »Das könnte sonst wer sein.«
    »Von wegen«, erwidert die Hohlbirne. Im Vorbeigehen deutet er mit dem Kopf in meine Richtung. »Sieh dir mal die Haare an.«
    »Na und?«, gibt Luke zurück. Er dreht sich nicht zu mir um und geht einfach weiter. Er zeigt mit dem Finger auf das Handy. »Im Internet gibt’s übrigens viel bessere Bilder, falls ihr so was nötig habt.« Die Truppe entfernt sich langsam und biegt um die Ecke, außer Sichtweite. Von Weitem höre ich das gurgelnde Geräusch, als Luke seinen Milchshake mit dem Strohhalm leer trinkt.
    Pam Markovitz schlendert mit Cindy Terlizzi im Schlepptau zu uns. Ash beobachtet sie angespannt. Sie wartet nur darauf, dass sie etwas sagen. Ganz egal was, Hauptsache sie hat einen Grund, sie fertigzumachen. Doch Pam legt nur den Kopf schief, leckt sich über die Lippen und lächelt wie ein Kätzchen. »Echt übel. Da wünscht man sich glatt, man wäre lesbisch, oder?«

    Oh ja, ich wünschte, ich wäre lesbisch. Eine verhuschte, heimliche Lesbe, die noch nie in ihrem Leben Sex hatte. Stattdessen sitze ich in Mathe und schlage mich mit Algebra herum. Ich soll eine Gleichung mit zwei Unbekannten lösen. Mrs Iacuzzs Geschwafel könnte einen Colasüchtigen einschläfern, aber unser Mathebuch ist wirklich toll. Es ist voller Ausrufezeichen. Suche die Lösungen für X und Y! Überprüfe dein Ergebnis, indem du andere Zahlen einsetzt! Das Buch sagt: Mathematik macht Spaß! Und! Ist! Nützlich! Heute ist es tatsächlich nützlichfür die nicht-verborgene Nicht-Lesbe. Ich bin so sehr mit dem Einsetzen von Zahlen und dem Überprüfen des Ergebnisses beschäftigt, dass ich mir keine Gedanken machen kann, wer das Foto von mir und Luke gemacht hat. Und auch keine Gedanken über Luke. Wie warm seine Lippen waren, als er mich geküsst hat. Und wie kalt und starr seine Miene, als er im Flur an mir vorbeigegangen ist. X ist zwei und Y ist drei. X ist 19 und Y ist 40. X ist 435 und Y ist 0.
    In Englisch gibt uns Mr Lambright die ersten Entwürfe unserer Hausarbeiten über Viel Lärm um nichts zurück. Es gibt viel Lärm, als die Schüler die vielen roten Anmerkungen entdecken. ›Das ist unfair!‹ – ›Ich kann Ihre Schrift nicht lesen!‹ – ›Ich habe zwei Wochen lang an dieser Hausarbeit geschrieben!‹ Ron Moran, der bei der Abitursfeier bestimmt die Abschiedsrede halten wird, sitzt an seinem Pult und blickt zufrieden lächelnd aus dem Fenster. Vor ihm seine Hausarbeit, unter der wie

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