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Good Girls

Titel: Good Girls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Ruby
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beeinflussen. Wenn ich jemanden für eine Rolle auswähle, dann spielt er oder sie diese Rolle und damit basta. Wenn ich bestimme, dass ihr beim Bühnenbild mitarbeitet, dann ist das euer Job. Mich zu bitten, ändert nichts an meiner Entscheidung. Genauso wenig wie Einschmeicheln, Wutanfälle, Geschenke oder Blumen. Ihr werdet zu jeder Probe, zu der ihr eingeteilt seid, erscheinen. Ihr werdet sämtliche Aufgaben erledigen, die von euch erwartet werden. Ich werde euch nicht kontrollieren, euch nicht anschreien, nicht eure Eltern anrufen und euch nicht vor die Tür stellen. Warum nicht? Weil es mir gleichgültig ist. Wenn ihr zu einer Probe kommt undeuren Text nicht könnt, heißt das für euch: Auf Wiedersehen. Wenn ihr zu einem Team gehört und eure Aufgabe nicht erfüllt: Auf Wiedersehen. Und wenn ihr euch um die Requisiten kümmern sollt und wir euch stattdessen dabei ertappen, wie ihr euch mit eurem Freund hinter dem Vorhang vergnügt: Auf Wiedersehen.«
    Ein Schüler kichert und Ms Godwin wirft ihm einen vernichtenden Blick zu. »Habe ich gerade etwas Lustiges gesagt?«
    Das Kichern verstummt.
    »Ich weiß sehr wohl, dass einige von euch das übliche Theaterstück erwarten. Aber in diesem Schuljahr möchte ich etwas anderes machen.«
    Ich höre, wie Joelle neben mir laut Luft holt.
    »Ein Freund von mir ist Drehbuchautor und hat mir freundlicherweise erlaubt, eines seiner Stücke zu inszenieren. Es ist ein wundervolles, humorvolles Werk, das auf Shakespeares Hamlet basiert.«
    »Na toll«, murmelt Joelle. »Ophelia. Diese Versagerin. Ich hasse es, Versagerinnen zu spielen.«
    »Das Stück heißt Ich bin Hamlet und nimmt Shakespeare ein bisschen aufs Korn. Hamlet ist in diesem Stück eine Frau. Wie ihr euch denken könnt, steht und fällt das Stück mit dieser Rolle.« Ms Godwins Blick verweilt einen kurzen Moment lang auf Joelle. Ich brauche meine Freundin nicht anzusehen, um zu wissen, dass sie über beide Ohren strahlt. »Aber keine Bange. In diesem Stück gibt es einige interessante männliche und weibliche Rollen und ich braucheeuch alle.« Ms Godwin wirbelt herum und tippt auf den Stapel mit Blättern am Bühnenrand. »Hier drin findet ihr eine Zusammenfassung des Stücks sowie eine Beschreibung aller Rollen und Schlüsselszenen. Das Vorsprechen findet am Dienstag um Punkt halb vier statt. Keine Entschuldigungen. Keine Tränen. Kein Gejammer.« Sie lächelt schmal. Dann rauscht sie mit wallenden Kleidern und lautem klack, klack, klack durch den Zuschauergang. Nachdem sie die Tür hinter sich zugeschlagen hat, laufen alle zur Bühne und nehmen sich einen zusammengehefteten Blätterstapel.
    Joelle kommt mit zwei Exemplaren zurück: eins für sie und eins für mich. »Hamlet!«, sagt sie. »Wie cool!«
    »Ja«, sage ich. »Ich hoffe nur, sie will kein minimalistisches Bühnenbild. Mit nichts als einem kleinen Beistelltisch und einem Telefon oder so was.«
    »Und wenn schon«, sagt sie, während sie das Heft durchblättert und einige Zeilen überfliegt. »Das war dir doch früher immer egal.«
    »Ich brauche etwas Kompliziertes. Venezianische Kanäle. Schlösser. Thronsäle. Den Vatikan. Ich muss mich ablenken, Joelle.«
    »Diese Schweine«, murmelt Joelle und drückt abwesend meinen Arm. Im Geiste ist sie längst bei Hamlet, der irgendwo in Dänemark vor sich hin brütet. »Sein oder nicht sein«, sagt sie leise. »Das ist hier die Frage.«
    Ich seufze. »Eine von vielen.«

    Nach der Theater-AG mache ich mich auf den Heimweg. Doch dann lässt mich der Gedanke nicht los, dass Mom auf mich wartet und mit mir über Sex reden will. Wie wunderbar es mit dem Richtigen ist. Bestimmt hat sie sich mittlerweile eine kleine Rede zurechtgelegt. Vielleicht sogar einige Internetseiten gefunden, die ich mir mal ansehen sollte. Außerdem den Namen eines Frauenarztes, bei dem sie einen Termin vereinbart hat oder ein paar »spannende« Bücher: Sex in the City – Wie man sein Selbst in unsteten Zeiten schützt. Oder: Was ich schon immer wissen wollte und mir meine Mutter nie erzählt hat. Oder: Süßsauer – Teenager sprechen über Leben, Liebe und Sex.
    Meine Mutter. Mein Vater. Bücher von Autoren mit Doktortitel. Ärzte mit Gummihandschuhen und ernsten Mienen und Warum-erzählst–du-mir-nicht-davon-Sätzen.
    Ich mache kehrt und gehe zu dem kleinen Einkaufszentrum in der Nähe der Schule. Viel gibt es dort nicht: einen Postkartenladen, eine Eisdiele, ein Elektronikgeschäft, einen Drogeriemarkt und dann noch so einen

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