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Good Girls

Titel: Good Girls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Ruby
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Laden, der im Winter Weihnachtsbäume und Christbaumschmuck und im Sommer Gartenmöbel und Frisbees verkauft. In der sechsten Klasse sind wir oft in die Eisdiele gegangen und haben uns über die Namen der Eisbecher amüsiert. In unseren unschuldigen Mädchenohren klangen siefast ein bisschen obszön. Cherry Cherry Lady. Freundschaftsbecher. Unser Lieblingsbecher war Heiße Liebe ! »Heiße Liebe!« grölten wir hingerissen, bis uns der Eisverkäufer aus dem Laden warf.
    Mir ist nicht nach Eiscreme zumute. Stattdessen schlendere ich durch den Weihnachtsladen und stöbere zwischen künstlichen Christbäumen und Lichterketten herum. Es gibt eine Abteilung mit Krippenfiguren in allen Größen und Materialien und ich sehe mich neugierig um: Jesus, Maria und Josef aus Plastik. Jesus, Maria und Josef aus Metall. Jesus, Maria und Josef aus Holz. Ich sage den Jesuskindern Hallo. »Hallo, kleines Baby«. Das habe ich immer zu Moms Bauch gesagt, als sie mit Henry schwanger war. Ich selbst kann mich nicht mehr daran erinnern, aber ich habe in Moms Schrank ein altes Tagebuch gefunden, und da stand es drin. Sie hat das Baby verloren, als sie im fünften Monat schwanger war. Den letzten Eintrag hat Mom geschrieben, als Henry schon mehrere Monate tot war. Sie schrieb, dass ich immer noch ihren Bauch tätschelte und »Hallo, kleines Baby« sagte. Einmal, als ich es wieder sagte, hat mein Vater sein Gesicht in den Händen vergraben und geweint. Danach habe ich es nie wieder gesagt, schrieb sie.
    Allmählich habe ich keine Lust mehr herumzulaufen. Ich lasse mich vor einer Krippe mit lebensgroßen Figuren auf einen Strohballen fallen. Ich sehe mich um. Mary macht ein zufriedenes Gesicht, Josef sieht erstaunt aus und das Jesuskind wie ein eingemummtes Glühwürmchen. Aber der Strohballenist der perfekte Ort für ein Mädchen, das sich vor seiner Mutter, seinem Vater und der ganzen Welt verstecken will. Ich nehme mein Haar zusammen, ziehe das Haargummi, das ich immer am Handgelenk trage, ab und binde es zu einem losen Knoten hoch. Dann krame ich in meinem Rucksack nach Viel Lärm um nichts und fange an zu lesen.
    »Du kannst hier nicht sitzen«, sagt eine Stimme.
    Ich zucke zusammen und sehe von meinem Buch auf. Ich muss wohl schon eine Weile lang hier sitzen, denn mein Hintern ist eingeschlafen. Vor mir steht ein etwa fünfzehnjähriger Junge. Er trägt eine Firmenjacke, die so rot wie sein pickeliges Gesicht ist. Auf seinem Namensschild steht »Walt«.
    »Was gibt’s, Walt?«
    Walt ist klein und dürr und hat einen ausgeprägten Adamsapfel. Außerdem scheint er eine Schwäche für Haargel zu haben. Vermutlich hat er die Krippenszene aufgebaut, die ich gerade durch meine Anwesenheit ruiniere. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht heilig genug bin, um bei irgendeiner Krippenszene als Stargast mitzuwirken.
    »Du kannst hier nicht einfach herumsitzen«, erklärt er. »Das ist hier keine Bücherei.«
    »Das weiß ich auch«, sage ich. Ich frage mich, ob seine Haarspitzen hart genug sind, um einen Luftballon zum Platzen zu bringen. »Ich hab mich nur kurz ausgeruht.«
    »Kann schon sein. Aber das geht hier auch nicht.« Er kratzt an einem Pickel auf seiner Nase.»Du bist jetzt schon seit einer Dreiviertelstunde hier.«
    »Bin ich nicht.«
    »Bist du doch.«
    Ich habe keine Lust aufzustehen. Ich habe keine Lust, mit Walt zu reden. Ich habe überhaupt keine Lust, mit irgendjemandem zu reden. »Es ist doch niemand im Laden. Wen stört es schon, ob ich hier sitze oder nicht?«
    » Mich stört es nicht«, sagt Walt. »Aber meinen Chef. Er hat mir gesagt, ich soll dir sagen, dass du verschwinden sollst. Er hat Angst, du könntest was klauen.«
    »Was denn zum Beispiel?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Glaubst du allen Ernstes, ich werde das Jesuskind da drüben mitgehen lassen?«
    »Wer weiß?«
    »Warum sieht es eigentlich wie ein Glühwürmchen aus?«
    »Wie was?«
    »Vergiss es.« Ich weiß nicht, warum ich Pickelwalt quäle. Er kann nichts dafür, dass ich miese Laune habe und dass sein Chef denkt, ich könnte klammheimlich mit der Jungfrau Maria abhauen. Ich stecke mein Buch in meinen Rucksack und stehe auf. Mein Hintern kribbelt unangenehm. »Ich gehe schon.«
    »Gut«, sagt er.
    Plötzlich spüre ich ein Schnappen im Nacken und meine Haare fallen schwer auf meinen Rücken. Ichschüttle den Kopf und pflücke mir das gerissene Haargummi von der Schulter. Ich will es gerade auf den Boden werfen, als ich Walts Gesichtsausdruck sehe.

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