Good Girls
nicht, aber es hatte bestimmt nicht gerade elegant ausgesehen.
Doch für Selbstzweifel war jetzt nicht der richtige Moment. Dazu fühlte ich mich zu leicht und beschwingt. Anstatt aufzustehen, rollte ich mich auf den Rücken und betrachtete den Sternenhimmel.
»Alles in Ordnung mit dir?«, erkundigte sich Luke und kniete sich neben mir ins Gras.
»Mir geht es bestens.«
»Was tust du da?«
»Ich hatte einfach Lust, mich hinzulegen«, hörte ich mich sagen.
Luke legte sich neben mich. Unsere Schultern berührten sich. Ich hatte das Gefühl, meine Haut verbrannte das Gras unter mir.
»Kennst du die Namen der Sternbilder?«, fragte er.
»Nein«, sagte ich.
»Nicht? Ich dachte, du wärst so eine Art Genie?«
»Und du? Weißt du, wie die Sterne heißen?«
»Mal sehen«, sagte er und deutete zum Himmel. »Also, das da oben ist der Südstern.«
»Du meinst, der Nordstern?«
»Nein, der Südstern. Und das ist der Große Hundehaufen. Und das da drüben ist der Kleine Dummkopf.«
Es war albern, aber ich lachte trotzdem. Während ich lachte, nahm er meine Hand und flocht seine Finger in meine. Er stützte den Kopf auf den Ellbogen und sah mich an. Ich konnte beinahe spüren, wie meine Pupillen riesengroß wurden, um seinen Anblick in mich aufzunehmen.
Der Griff seiner Finger verstärkte sich. »Du kannst gut Karten spielen.«
»Ich kann viele Sachen gut«, erwiderte ich.
»Gut zu wissen.« Plötzlich küsste er mich. Sanft und zärtlich. Dann tastete er sich behutsam weiter, bis ich ihn an mich presste und mir wünschte, er würde mich so küssen, wie er es wollte. Und dann tat er es.Hungrig fiel er über mich her, als wären mein Mund und meine Zunge aus Erdbeeren oder Eiscreme. In meinem Kopf drehte sich alles, und ich war froh, dass ich auf der Wiese lag und nicht mehr stand. Sonst wäre ich bestimmt in Ohnmacht gefallen, wie die Frauen in romantischen Liebesgeschichten.
Nach einer Weile löste er sich von mir und strich mit dem Finger sachte über meine Lippen. »Worüber lächelst du?«
»Tue ich das?«, sagte ich.
»Ja, du lächelst.«
Der Spätsommerfeenstaub machte es leicht, ehrlich zu sein. »Es ist schön, dich zu küssen, während der Kleine Dummkopf über uns am Himmel funkelt.«
Er lachte und betrachtete mich amüsiert. »Du bist schon ein merkwürdiges Mädchen.«
»Bin ich das?«
»Ja«, sagte er. Er nahm eine Haarsträhne und schnupperte daran. »Prinzessinnenhaar«, murmelte er. »Riecht wie Honig.« Er fuhr durch meine Haare und wickelte sie sich um die Finger. Dann presste er seine Lippen an mein Ohr. »Das Küssen gefällt dir also?«
Ich wagte es, mit der Hand die Unterseite seines Arms zu berühren, um die weiche Haut zu spüren. »Mhm.«
»Was sagen Regisseure noch mal zu den Schauspielern, wenn sie eine Szene proben? Irgendwas von wegen und jetzt mit Gefühl?«
Ich überlegte kurz. »Noch einmal mit Gefühl, bitte.«
»Genau«, sagte er. In einer weichen Bewegung war er auf mir und schmiegte sich an mich wie ein Puzzlestück. Dann küsste er mich mit so viel Gefühl, dass es einen Toten zum Leben erweckt hätte.
Wer ist Hamlet?
Mittwoch, nach der Schule in der Theater-AG. Ich versuche, meinen Kopf mit Leere zu füllen, indem ich im Geiste immer wieder das Wort »schwarz« vor mich hinsage. Es funktioniert nicht. Die anderen Schüler wundern sich, dass ich im Zuschauerraum sitze. So wie an jedem anderen Mittwoch auch. Ein paar jüngere Schüler grinsen mich verstohlen an. Und einige, die nur meine Freunde, aber nicht mich kennen, sagen Sachen wie: »Hm!« – »Oh!« – »Hey!« – oder »Hi« – »Hmohheyhi.« Das ist Indianisch und heißt eigentlich: »Wie kannst du es wagen, dein Gesicht in der Öffentlichkeit zeigen???«
Aber für mich ist der Zuschauerraum nicht die Öffentlichkeit. Er ist wie ein Zuhause für mich. Ein riesiges, hallendes Zuhause mit knarrenden, knochenharten, alten Sitzen und einem mottenzerfressenen blauen Samtvorhang, der den Blick auf die kahle, merkwürdig trist aussehende Bühne freigibt. Am Rand der Bühne liegt ein Stapel mit Blättern. Die Schüler zeigen auf die Blätter und flüstern miteinander. Aber keiner wagt es, einen Blick darauf zu werfen.
Joelle sitzt auf dem Platz neben mir. Ihre Augen sind verweint. Meinetwegen. »Dieses Schwein«, flüstert sie.
»Wer?«, sage ich.
»Dieses Schwein, der das Foto gemacht hat«, sagt sie. »Von meiner Freundin. Auf meiner Party. Wenn ich jemals herausfinde, wer das war. Bringe. Ich. Ihn. Um.
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