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Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Titel: Goodbye Chinatown: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Kwok
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mich auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch, der so hoch war, dass meine Füße kaum den Boden berührten. Ich wusste, was mit Schülern im Zimmer der Direktorin passierte: Sie wurden fertiggemacht.
    »Die Ergebnisse der Zentralklausuren sind gerade gekommen, und deine sind Miss Kumar besonders ins Auge gestorren. Sie hat mich gebeten, sie mir anzusehen. Besonders deine Matheergebnisse sind äußerst vielverbrechend. Beim Lesen hast du natürlich nicht so gut abgeschnitten.«
    Ich starrte auf meine Fingernägel, und das Blut pochte noch heftiger durch meine Adern. Wenn ich sie richtig verstanden
hatte, waren meine Englischergebnisse nicht gut genug. Bestimmt war ich eine Schande für die Schule und musste sie wegen schlechter Zensuren und wegen der Schlägerei verlassen. Vielleicht waren ja auch noch meine Unterschriftenfälschungen aufgeflogen.
    »Erzähl mal, was für Pläne hast du denn für nächstes Jahr?«
    Das war es also. Ich würde die Klasse wiederholen müssen. Alle anderen würden die sechste Klasse abschließen, nur ich nicht. Wie sollte ich das bloß vor Mama verheimlichen? Wenn ich mit dieser Neuigkeit nach Hause kam, steckte ich wirklich in Schwierigkeiten. Ich versank noch tiefer in meinem Stuhl und suchte krampfhaft nach einer Antwort, die Mrs LaGuardia besänftigte.
    »Schau mich an, Schätzchen.«
    Ich war so erschrocken über das Wort »Schätzchen«, dass ich sofort gehorchte. Ich hatte gehört, wie Mrs Avery Annette so nannte, aber bei uns in Hongkong benutzten Schulleiter nicht solche Wörter. Mrs LaGuardias Gesicht wirkte seltsam nackt ohne ihre Brille. Ihre Wimpern waren sehr kurz, aber ihre Augen waren gütig.
    »Keine Angst, du hast nichts ausgefressen«, beruhigte sie mich.
    Ich setzte mich ein wenig aufrechter hin, auch wenn ich nicht so dumm war, ihr zu glauben.
    »Leider gibt es in dieser Gegend nicht viele gute staatliche Junior Highschools. Ich ongaschiere mich schon lange dafür, dass sich das ändert. Schließlich haben alle unsere Schüler nach ihrem Abschluss eine erstklassige weiterführende Schule verdient. Aber es ist leider immer noch so, dass die nächstgelegene staatliche Schule ziemlich weit weg ist und nicht gerade im sichersten Viertel liegt. Eine Schülerin von deinem Niewoh würde normalerweise an einer Hochbegarten -Schule
angenommen werden, aber dafür sind deine Englischnoten noch nicht gut genug. Mir ist natürlich bewusst, dass du es auf unserer Schule nicht immer leicht hattest.«
    Ich starrte wieder auf die Sitzfläche meines Stuhls hinunter: Das Polster war knallgrün. Mir war schlecht.
    Mrs LaGuardia fuhr fort: »Um ehrlich zu sein, mache ich mir Sorgen, wie es mit dir weitergeht, Kimberly, wenn du einfach in eine Schule gesteckt wirst, wo deine Feechkeiten nicht gefördert werden können. Ganz im Vertrauen denke ich, dass du eine Privatschule inner Wegung ziehen solltest. Die meisten unserer Schüler hätten keine rellistischen Chancen, dort angenommen zu werden oder die Schulgebühren bezahlen zu können, aber du vielleicht schon.«
    Jetzt war ich aus einem anderen Grund beunruhigt: Mrs LaGuardia verwechselte mich ganz offensichtlich mit einem der weißen Kinder, deren Haushälterinnen zu Hause mit einem Imbiss auf sie warteten, wenn sie aus der Schule kamen. Ich durfte mir nichts anmerken lassen, bis ich endlich aus diesem Büro flüchten konnte.
    »Danke, Mrs LaGuardia«, sagte ich.
    »Ich kenne mehrere gute Schulen, falls du Namen brauchst«, erklärte sie.
    Ich starrte sie verständnislos an.
    »Brauchst du ein paar M-Fehlungen ?«, wiederholte sie.
    »Nein danke.« Ich hatte zu schnell geantwortet.
    Sie sah mich misstrauisch an. Dumm war Mrs LaGuardia ganz sicher nicht. »Möchtest du denn nicht auf eine Privatschule gehen, Kimberly?« Sie klang allmählich verärgert. »Oder kannst du mir vielleicht sagen, wie ich deine Mutter erreiche?«
    Ich schüttelte den Kopf und starrte auf den Boden.
    Sie seufzte. »Es ist deine Entscheidung.«
    An ihrem Tonfall hörte ich, dass sie aufgegeben hatte. Statt Erleichterung zu empfinden, wuchs meine Traurigkeit ins Unermessliche.
    »Ich möchte«, murmelte ich. Sie beugte sich über ihren glänzenden Schreibtisch, um mich besser verstehen zu können. »Aber wir nicht können bezahlen.«
    »Ich hätte mich klarer ausdrücken sollen.« Ihr Tonfall war nun barsch. »Niemand verlangt, dass deine Mutter alleine für alles aufkommt. Die Privatschule müsste dir natürlich ein Stipendium anbieten. Ich kann nichts

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