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Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Titel: Goodbye Chinatown: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Kwok
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fragen: »Woher kommen Sie?«
    »Aus Pakistan«, antwortete er. Er sah, dass ich die komplizierte Stickerei auf seiner Tunika bewunderte.
    »Ah, meine Aufmachung ist dir also aufgefallen. Die Schulleiterin versucht seit vielen Jahren, mich in einen Anzug zu stecken, aber ich weigere mich. Ich bin nämlich außerdem Theaterregisseur, und das rechtfertigt doch eine gewisse Extravaganz, findest du nicht?«
    Mr Jamali wies mich in meine Aufgaben ein, die, wie sich herausstellte, sehr einfach waren. Da die Bibliothek nur eine begrenzte Auswahl an Büchern vorrätig hatte, kamen die
meisten Schüler ohnehin nur zum Lesen oder Lernen hierher. Ich würde bei meiner Arbeit also immer wieder über freie Zeit verfügen, vielleicht sogar genug, um meine Hausaufgaben zu machen. Im Büro stand eine Schreibmaschine, die ich benutzen durfte. Am liebsten hätte ich vor Freude in die Hände geklatscht.
    »Mr Jamali, kann ich meine Arbeitszeiten ändern? Ich würde gerne früher am Tag kommen.«
    »Warum?« »Weil …« Ich brach ab. »Meine Mutter arbeitet, und ich helfe ihr nach der Schule.«
    »Verstehe.« Er sah mich mit seinen wachen, intelligenten Augen an. »Nun, wenn das so ist, werden wir schauen, was sich machen lässt.«
     
    In der Fabrik fielen Matt sofort meine neuen Kleider auf. »Na, wenn das nicht das hohe Töchterchen ist«, spottete er.
    Ich muss wohl verletzt ausgesehen haben, denn er fügte schnell hinzu: »So war es nicht gemeint. Ich meinte, dass du hübsch aussiehst.«
    Mir war klar, dass er nur nett sein wollte, aber ich würde ihn trotzdem nie vergessen: den Moment, in dem Matt sagte, dass er mich hübsch fand.
    Der Vorfall machte mir bewusst, dass es Ärger mit den anderen Fabrikkindern geben konnte, wenn ich in meiner Schuluniform in der Fabrik erschien, oder auch mit Tante Paula, die man wohl besser nicht an meine neue Privatschule erinnerte. Von jetzt an würde ich immer sofort meine Arbeitskleidung anziehen und meine neue Schule mit keinem Wort erwähnen.
    »Wie war es denn heute?«, fragte Mama. Beim Anblick ihrer warmen, vertrauten braunen Augen entspannte ich mich
zum ersten Mal seit vielen Stunden. Mir wurde plötzlich bewusst, unter welchem Druck ich den ganzen Tag gestanden hatte und wie fremd mir die ganze Harrison-Welt noch war.
    Ich stand neben Mama und lehnte, ohne zu antworten, meine Stirn gegen ihre Schulter. Ich wünschte mir so sehr, wieder ihr kleines Mädchen zu sein. Ihr T-Shirt war aus Polyester und ganz feucht vor Schweiß.
    »Du verrücktes Mädchen«, sagte sie liebevoll und wuschelte mir durchs Haar.
    Ich hob den Kopf: »Mama, ich glaube, ich brauche neue Unterwäsche.«
    »Warum? Was stimmt denn nicht mit deiner Unterwäsche?«
    »Wir ziehen uns alle zusammen für den Sportunterricht um, und dann sehen die anderen Mädchen meine Unterwäsche. Die lachen mich doch aus.«
    »Kein anständiges Mädchen würde sich die Unterwäsche von anderen Mädchen anschauen. Haben sich die anderen heute über dich lustig gemacht?« In Mamas Welt war Unterwäsche etwas Unsichtbares. Da unser Geld so knapp war, fand sie, dass man es für Dinge ausgeben sollte, die man auch sah, wie meine Uniform.
    »Nein, aber …«
    Ihr Tonfall war nachsichtig. »Ah- Kim, du darfst nicht so empfindlich sein. Ich bin mir sicher, dass sich die netten Mädchen irgendwo umziehen, wo sie niemand sehen kann. Du musst nicht immer denken, dass alle dich anschauen.« Sie drückte mich kurz und ging dann wieder an die Arbeit.
    Ich starrte Mamas Rücken an, auf dem sich die knochigen Erhebungen ihrer Wirbelsäule durch den dünnen Stoff ihres T-Shirts drückten, und war plötzlich so wütend, dass ich sie am liebsten in den Kleiderstapel vor ihr auf dem Tisch gestoßen hätte. Aber als ich dann die Fabrikluft einsog, die ständig
feucht und metallisch war vom Dampf der Bügelmaschinen, mischten sich Schuldgefühle unter meine Wut. Mama hatte in der ganzen Zeit, die wir jetzt in Amerika waren, nicht ein einziges Mal etwas für sich gekauft, nicht einmal eine neue Jacke, obwohl sie sie dringend brauchte.
    Sobald ich die erste Pause machen konnte, versuchte ich, die Glitzersteine von meinem Rock zu entfernen, was sich allerdings als unmöglich herausstellte. Die farbigen Kunststoffsteine waren mit Klebstoff am Bund befestigt, und wenn man sie abgerissen hätte, wären hässliche Flecken zurückgeblieben. Ich durchsuchte den Wagen mit der Fehlerware und fand einen Streifen schwarzen Stoff, der sich als Schärpe verwenden ließ.

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