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Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Titel: Goodbye Chinatown: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Kwok
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(grüne T-Shirts und die weiten Shorts, die ich schon bei meinem ersten Besuch gesehen hatte) und uns in den Umkleideraum zwängten, ging mir auf, dass ich wirklich in Schwierigkeiten steckte.

7
    A lle anderen Mädchen fingen an, sich auszuziehen. An meiner alten Schule hatten wir uns für den Sportunterricht nie umziehen müssen. Wir hatten lediglich Turnschuhe angezogen, wenn wir nicht sowieso schon welche trugen. Als ich sah, dass alle anderen Mädchen gekaufte Unterhosen trugen, umklammerte ich krampfhaft meine neuen Sportsachen. Manche trugen sogar Baumwoll-BHs oder ärmellose Mieder. Alles war bunt und teuer.
    Einige Mädchen waren noch vollkommen flachbrüstig, und ich beneidete sie darum. Ich selbst hatte in diesem Sommer angefangen, kleine Brüste zu entwickeln, und tat alles, um sie zu verstecken. Für dieses Problem musste sobald wie möglich eine Lösung gefunden werden, und ich war diejenige, die sich darum kümmern musste. Alles, was ich unter meiner Schuluniform trug, stammte von Mama und war daher schlecht genäht: ein Paar dicke Baumwollshorts, die ungleichmäßig rot umsäumt waren, weil roter Faden Glück brachte, und darüber ein schmutziges, fusselndes, langärmliges Unterhemd. Mir entging nicht, dass die Mädchen sich gegenseitig unter gesenkten Lidern musterten. Dann entdeckte ich die Toilettenkabinen an der Wand. Wortlos dankte ich den Göttern und schlüpfte hinein, um mich umzuziehen.
    Die erste Sportstunde bestand aus einer individuellen Beurteilung jedes Schülers. Der Lehrer stoppte unsere Laufzeit, maß unsere Sprungweite, zählte unsere Liegestützen
und drückte uns dann einen Schläger in die Hand, um uns anschließend mit Bällen zu beschießen und zu zählen, wie oft wir trafen. Die Arbeit in der Fabrik hatte mich stark gemacht. Ich war zwar weit davon entfernt, die Beste zu sein, aber ich war auch nicht die Schlechteste. Diese Erkenntnis war eine solche Erleichterung, dass ich ganz vergaß, mich wegen meines undamenhaften Benehmens schuldig zu fühlen.
    Ich erkannte immer mehr, wie wichtig den Amerikanern ein gewisses Maß an Sportlichkeit war. Für mich war das etwas ganz Neues. Zu Hause in Hongkong wurde man als Schüler gelobt, wenn man gute Noten hatte, aber für die Kinder hier reichte das nicht. Man verlangte auch von ihnen, dass sie einen Mannschaftssport ausübten und ein Instrument spielten und dass sie gerade Zähne hatten. Auch von mir wurde von jetzt an erwartet, dass ich mich attraktiv und vielseitig interessiert präsentierte.
    Bis zum Ende des Tages hatte ich die Namen von einigen Klassenkameraden gelernt: Greg war der gemeine Junge, Curt der Junge mit der Löwenmähne, Sheryl war das Mädchen mit den Stulpen (den Ausdruck hatte ich aufgeschnappt, als ein anderes Mädchen sich ihr gegenüber bewundernd geäußert hatte), und Tammy war das brünette Mädchen aus dem Bus.
    Nach dem Sportunterricht war der Schultag für die anderen Kinder zu Ende, aber ich sollte an drei Tagen der Woche in der Bibliothek aushelfen und am vierten Tag Nachhilfeunterricht in Englisch bekommen. Allerdings musste ich noch herausfinden, wie sich das mit der Arbeit in der Fabrik in Einklang bringen ließ. Die Aushilfstätigkeit in der Bibliothek war Voraussetzung für das Stipendium, das man mir gewährt hatte.
    Ich wusste, dass die Bibliothek von Milton Hall, in der ich
arbeiten sollte, nicht die wissenschaftliche Hauptbibliothek war, sondern eine eher kleine Bibliothek, die hauptsächlich zum Lernen genutzt wurde. Ich erwartete einen modernen, sterilen Raum, der der Leihbücherei in Brooklyn ähnelte, aber als ich die Tür öffnete, blieb mir fast die Luft weg. Die Bibliothek war klein, intim und wunderschön. Lange Sonnenstrahlen schienen durch hohe Buntglasfenster herein, und ein paar Schüler hatten sich in großen Ledersesseln zusammengerollt und lasen.
    Ein Mann in einer gestreiften Tunika aus rotbrauner Seide goss gerade eine Gardenie auf einem Tisch. Von unserem Sportlehrer abgesehen war er der einzige Mann ohne Anzug und Krawatte, den ich den ganzen Tag gesehen hatte. Er hob den Blick, sah mich und kam auf mich zu. Seine Tunika hatte einen bestickten Stehkragen, und dazu trug er eine weiße Baumwollhose.
    Seine Haare wären genauso dunkel gewesen wie meine, wären sie nicht von silbrigen Strähnen durchzogen gewesen. »Bist du die neue Stipendiatin? Ich bin Mr Jamali.« Sein Englisch hatte einen singenden Tonfall.
    Wir schüttelten uns die Hand, und dann musste ich ihn einfach

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