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Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Titel: Goodbye Chinatown: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Kwok
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noch auf einem anderen Stern. Meine Klassenkameraden waren dieselben wie im Vorjahr, aber für mich blieben sie unbekannte Wesen. Ich konnte ihnen nur dabei zusehen, wie sie sich neue Hobbys zulegten und ein Sozialleben außerhalb der Schule entwickelten. Sie wirkten bei Theaterstücken mit, spielten Lacrosse, Basketball, Tennis. Es gab Footballspiele und eine ganze Gruppe von Mädchen, die nur damit beschäftigt war, die Spieler anzufeuern. Ich bekam genügend Gespräche mit, um zu wissen, dass meine Klassenkameraden jetzt auch abends zusammen ausgingen. Am auffälligsten war jedoch, wie entspannt und fröhlich sie miteinander umgingen. Oft sah ich Tammy mit ihren Freunden lachen, aber sie war auch weiterhin nett zu mir. Curt und Sheryl, die beiden coolsten Schüler aus unserer Klasse, flirteten wie verrückt miteinander, und das vor aller Augen.
    Die anderen Mädchen (mit Ausnahme von Annette, die
Sheryl für oberflächlich hielt) bewunderten und beneideten Sheryl. Wenn sie mal wieder die Kleidervorschrift ausreizte und ihren Rock auf halbe Oberschenkelhöhe aufrollte, taten die anderen Mädchen eine Woche später dasselbe und ließen ihre blassen Beine aufblitzen. Und Curt schien voller Verheißungen zu stecken, was nicht einmal daran lag, dass er besonders gut ausgesehen hätte – es war mehr die Selbstverständlichkeit, mit der er davon ausging, etwas Besonderes zu sein, die ihn so attraktiv machte.
    Ich versuchte nicht einmal, mich mit meinen Klassenkameraden anzufreunden, wofür mir die Tatsache, dass ich ohnehin nicht an ihrem Leben teilhaben konnte, in gewisser Weise als Ausrede diente. Auch ohne meine Pflichten in der Fabrik hätte mir Mama niemals erlaubt, abends auszugehen. Anständige chinesische Mädchen taten so etwas nicht.
    Einmal ging ich in der Mittagspause zufällig hinter Greg und ein paar Freunden her, darunter auch Tammy.
    »Gehst du heute auch zu Rocky Horror ?«, fragte Greg Tammy.
    »Klar«, antwortete sie. »Ihr könnt vorher zu mir kommen, wenn ihr wollt.« Zu meinem grenzenlosen Erstaunen drehte sie sich zu mir um und lächelte mir zu. »Willst du auch kommen, Kimberly?«
    »Oh, ich weiß nicht«, sagte ich, um Zeit zu gewinnen. Natürlich wusste ich, dass ich nicht kommen konnte, aber ich wollte zumindest so tun, als bestünde die Möglichkeit. »Wann trefft ihr?«
    Sie warf Greg einen fragenden Blick zu. Er sah genauso schockiert aus, wie ich mich fühlte. »So um elf, denke ich?«
    Ich blinzelte. Hatten wir um elf nicht Unterricht? Zum Glück blieb mir keine Zeit, meine Unwissenheit preiszugeben, denn Tammy fuhr fort: »In die Stadt brauchen wir keine
halbe Stunde, wir sind also auf jeden Fall bis Mitternacht in Greenwich Village.«
    »Nein, besser wir treffen uns früher. Ich kann ein paar Biber mitbringen«, schlug Greg vor.
    Während die anderen ihren Abend planten, schwirrte mir der Kopf. Eine Show, die um Mitternacht anfing! Und ein paar Biber? Dann wurde mir klar, dass er dieses alkoholische Getränk meinte: Bier.
    Als ich den Blick hob, fragte mich Tammy gerade: »Also, bist du dabei?«
    »Ist für deine Eltern kein Problem?«, platzte ich mit der Frage heraus, die mich beschäftigte. »Bier?«
    Sie zuckte ein wenig verlegen mit den Schultern. »Meine Eltern sind geschieden, und ich wohne bei meinem Vater. Er ist viel unterwegs, aber ich darf auch so fast alles.«
    »Oh.« Ich zögerte. »Ich habe schon was vor. Vielleicht anderes Mal, ja?«
    Sie schenkte mir ihr übliches warmherziges Lächeln. »Dann eben nächstes Mal.«
    Ich wusste, dass es kein nächstes Mal geben würde, aber ich freute mich trotzdem über ihre Einladung. Durch sie konnte ich mir für einen flüchtigen Moment lang einbilden, dazuzugehören.
     
    In zwei Wochen stand ein wichtiger Physiktest an, bei dem es unter anderem um Masse, Kraft und Beschleunigung gehen würde. Alle hatten Angst davor, nur ich freute mich, dass ich wenigstens ein Fach hatte, bei dem so viel Mathematik involviert war. Eines Tages kam ich an den Schließfächern vorbei und sah ein paar meiner Mitschüler auf dem Boden knien und über den Physikhausaufgaben schwitzen. Alle beschwerten sich, dass sie nichts verstanden.
    »Ich bin schon beim letzten Test durchgerasselt«, hörte ich Sheryl sagen. »Wenn das noch mal passiert, kriege ich Hausarrest.«
    »Diesmal wird der Test sogar noch schwieriger«, prophezeite Curt. »Bestimmt fallen alle durch. Dann müssen sie die Ergebnisse streichen und den Test wiederholen.«
    In diesem Moment

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