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Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Titel: Goodbye Chinatown: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Kwok
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Verbotenes, von dem ich mich fernhalten musste. Wenn er mich streifte, sprang ich beiseite, als hätte mich etwas gestochen. Dass Matt es zu genießen schien, mich zu berühren, dass er oft eine Hand auf meinen Rücken oder meinen Arm legte, machte die Sache nicht einfacher. Ich hatte Angst, dass sich die Ereignisse überschlugen, wenn ich die Distanz zwischen uns erst einmal überbrückt hatte, dass sie mich von allem fortrissen, wofür ich gearbeitet hatte.
    Ich war eine Närrin. Ich hätte ihn mir schnappen sollen, als ich ihn noch für mich allein haben konnte, hätte ihn mir unter den Nagel reißen sollen wie eine reife Mango auf dem Markt. Aber woher hätte ich auch wissen sollen, dass sich Liebe so anfühlt?
     
    Eines Tages stand sie einfach da und wartete vor der Fabrik auf Matt. Sie war alles, was ich nicht war. Dieser kokette Rock und die perfekten Fingernägel und der schmelzende
Blick, der zu sagen schien: »Rette mich!« Die Art, wie sie die glänzenden schwarzen Haare zurückwarf und den Duft von Wildblumen verbreitete. Dabei war ihr Haar gar nicht lang, sondern kurz geschnitten, aber es verlängerte die Linie ihres anmutigen Halses und war in die Stirn gekämmt wie ein Pfeil, der auf ihre perfekten Lippen zeigte. Noch heute hätte ich sie lieber als oberflächliches Püppchen in Erinnerung, das ihn mit seiner weiblichen Schwäche manipulierte, aber in Wirklichkeit lag aufrichtige Wärme in Vivians Lächeln, wenn sie mich ansah, und das, obwohl die meisten anderen Mädchen meine billigen Kleider höhnisch belächelten. Vielleicht muss ich noch ehrlicher sein: Wenn ich sage, dass sie alles war, was ich nicht war, dann meine ich damit auch, dass sie über sämtliche guten Eigenschaften verfügte, die ich damals gehabt haben mochte, und dazu noch viele mehr.
    Ich versuchte herauszufinden, wie sie sich kennengelernt hatten. Glaubte man der Gerüchteküche in der Fabrik, war ihr Vater ein Schneider aus Singapur, einer der besten, und besaß einen kleinen Laden, der sich auf teure maßgefertigte Kleidung spezialisiert hatte und der sich auf derselben Straße befand, wo Matt wohnte. Vivian half im Laden aus und hatte wohl so oft vor der Tür gestanden, wenn Matt vorbeiging, dass sie sich irgendwann kennengelernt hatten. Natürlich hatte ich sie im Verdacht, es genau darauf angelegt zu haben, aber wer konnte es ihr verdenken?
    Anfangs war sie noch einige Zentimeter größer als Matt. Im Laufe der Zeit machte er jedoch einen solchen Schub, dass sie regelrecht zu schrumpfen schien, bis er sie mit seiner neuen, kräftigen Statur und seinen großen Händen um einiges überragte und den Arm schützend um ihre zarten Schultern legte. Matt war genauso nett zu mir wie immer, aber er war irgendwie geistesabwesend geworden, so als wäre
ein Teil von ihm immer bei ihr. Wenn ich die beiden zusammen fortgehen sah, fort von mir, schmerzte mir das Herz vor Reue.
     
    Im Januar des zehnten Schuljahrs brach sich Curt beim Skifahren das linke Bein. Ich war gerade sechzehn geworden. Er musste operiert werden, bevor er zurückfliegen konnte, und saß mehrere Wochen in Österreich fest. Seit dem Vorfall mit Tammy in der achten Klasse, als er mich vor Dr. Copeland verteidigt hatte, hatten wir kaum ein Wort miteinander gewechselt, auch wenn wir weiterhin einige Unterrichtsfächer zusammen hatten. Curt war viel zu beschäftigt damit, cool zu sein und sein Versprechen wahrzumachen, etwas Besonderes zu werden. Er malte und schnitzte Holzskulpturen, um die sämtliche Kunstlehrer einen großen Zirkus veranstalteten. Im vorigen Jahr hatte er sogar beim Kunstfestival mitgewirkt. Und er war attraktiv mit seiner temperamentvollen Art, das musste sogar ich zugeben. Ich hatte sogar schon beobachtet, wie unsere Lateinlehrerin im Gespräch mit ihm errötete.
    Eines Abends im Winter klingelte unser Telefon. Es war fast halb zehn, daher war ich mir sicher, dass es Annette war. Aber als ich den Hörer abnahm, war Curt dran. Seine Stimme klang tief. Ich war so überrascht von seinem Anruf, dass ich nicht einmal fragte, wie es seinem Bein ging.
    »Kimberly, hör zu, ich bin zwar wieder in den Staaten, aber ich darf den nächsten Monat nicht mal das Bett verlassen. Ehrlich gesagt bin ich sowieso schon kurz davor, von der Schule zu fliegen, und jetzt, wo ich eine Zeitlang gar nicht mehr am Unterricht teilnehmen kann, bin ich geliefert, wenn du mir nicht hilfst.«
    »Ich wusste gar nicht, dass deine Noten so schlecht sind.«
    »Meine Noten sind

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