Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)
kleineren Kinder krümmten sich und zappelten herum, aber ich konnte nur daran denken, wie warm sich sein Atem an meinem Haar anfühlte. Direkt vor meinen Augen bildeten sein raues Baumwollshirt und die glatte Haut seiner Schulter einen reizvollen Kontrast.
Das englische Gemurmel vor der Tür schien endlos anzudauern, bevor es wieder in die normalen Fabrikgeräusche überging. Endlich wurde die Tür geöffnet. Die anderen drei Kinder stürzten hinaus und rannten davon.
Widerwillig gab ich meine an Matt gelehnte Haltung auf und suchte schwankend das Gleichgewicht, aber da schloss sich seine Hand um mein Handgelenk.
»Warte.« Mit der anderen Hand drückte er die Tür hinter seinem Rücken zu. Dann zog er mich an sich heran, und ich lehnte für einen Moment die Stirn an seine Brust. Der vertraute Schmerz ebbte ab, und an seine Stelle trat etwas Erschöpftes, Erbarmungsloses. Es war, als hätte ich, ohne es zu merken, die Luft angehalten und würde sie nun ganz langsam hinauslassen. Matts Fingerspitzen gruben sich in meine Haare, ich spürte ihre Wärme auf meiner Kopfhaut. Dann hob ich den Kopf und sah ihn an. Ein Lichtstrahl drang durch das Fenster in der Tür und fiel auf seine weichen Haare. Seine goldenen Augen leuchteten im Halbdunkel, und dann küssten
wir uns endlich. Der Kuss war ein einziger langer Schwelbrand, und der Nachmittag löste sich in Verlangen auf, Verlangen nach Matt, nur nach Matt.
Auf diesen Kuss folgte ein weiterer und dann noch einer, bevor Matt inne hielt und mit einer Heiserkeit in der Stimme, die ich noch nie bei ihm gehört hatte, sagte: »Die suchen mich bestimmt schon.«
»Mich auch«, flüsterte ich.
Dann küssten wir uns noch mal und noch mal, bevor ich mir ins Gedächtnis rief, dass er eine Freundin hatte, und diese Freundin war nicht ich. Ich wollte diejenige sein, die dieser Situation ein Ende machte, also riss ich mich schweren Herzens los. »Gut, bis dann.«
Er schien eine Weile zu brauchen, bis er seine Umgebung wieder wahrnahm, ganz so, als erwachte auch er aus einem Traum. Dann sagte er: »Bis dann.«
Er hatte die Hand schon auf dem Türgriff, zögerte dann aber. Ohne mir in die Augen zu sehen, sagte er: »Kimberly, ich kann nicht so hoch klettern wie du.« Mit eingezogenem Kopf ging er davon.
Ich stand allein in der Toilette und musste mich am Waschbecken abstützen, weil mir vor Erschütterung die Beine zitterten. Ich hatte ihm das Gefühl gegeben, nicht gut genug für mich zu sein, dabei war ich doch diejenige, die beim Kampf um ihn den Kürzeren gezogen hatte!
An diesem Abend wartete Vivian nach der Arbeit an der üblichen Stelle vor der Fabrik. Ich schäme mich, es zuzugeben, aber ich war ihm die Treppe hinunter gefolgt und musste mit ansehen, wie er zu ihr ging und sie auf die Lippen küsste. Als er mir einen schnellen, schuldbewussten Blick zuwarf, wurde mir klar, dass er sich meiner Anwesenheit bewusst war. Dann gingen sie davon.
Ein paar Küsse im Dunkeln mögen harmlos klingen – aber sie genügten, um mir ein Loch ins Herz zu brennen.
Jetzt blieb mir nur noch mein Stolz. Zu Park war ich genauso nett wie vorher, aber ich machte es mir zur Aufgabe, mit den anderen Jungen in der Fabrik zu flirten, besonders wenn Matt zusah. Ihn selbst behandelte ich mit kühler Freundlichkeit. Ich stellte mir vor, dass mich eine dicke Eisschicht umgab und dass nichts, was er tat, zu mir durchdrang. Vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber Matts Blicke schienen mir oft zu folgen während unserer Schichten in der Fabrik, und er alberte auch mehr herum, wenn ich in der Nähe war, ließ sich zum Beispiel auf den Boden fallen und machte einarmige Liegestütze, während ich ihn geflissentlich ignorierte. Was er auch veranstaltete, unterm Strich zählte nur, dass er sich gegen mich und für Vivian entschieden hatte. Gegen diese Tatsache kam keins der Kunststückchen an, die er aufführte, um mir seine Zuneigung zu zeigen.
Ich wusste, dass Vivian immer noch jeden Tag nach der Arbeit auf ihn wartete. Zum Glück überschnitten sich unsere Arbeitszeiten oft, so dass ich sie nicht immer sehen musste. Aber was ich sah, genügte. Zu allem Überfluss war sie mir auch noch sympathisch. Sie machte einen netten, fürsorglichen Eindruck, und es war schließlich nicht ihre Schuld, dass sie so umwerfend aussah. Wie viele Bilder von den beiden sind in meiner Seele abgespeichert: Matt, wie er ein Päckchen Süßigkeiten – getrocknete, kandierte Lotussamen – vor ihr versteckt; ihr
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