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Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Titel: Goodbye Chinatown: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Kwok
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Anblick von weitem, wie sie Arm in Arm einen Heilkräuterladen betreten; einmal sah ich sie sogar im Tempel, wo sie gemeinsam Räucherstäbchen an der Flamme einer Öllampe anzündeten und sich dann zum Gebet nebeneinander knieten. Wie viele Foltermethoden kennt die Liebe?
    Ich hatte mich endlich Annette anvertraut, deren Rat mir schon so oft weitergeholfen hatte. Sie sagte: »Der äußere Eindruck einer Beziehung entspricht nicht unbedingt der Realität. Man kann heftiger in eine Person verliebt sein, von der man nur träumt, als in die Person, die man jeden Tag sieht.«
    Sie war die Einzige, die von meinem Liebeskummer wusste, auch wenn sie, die ständig selbst hoffnungslos verliebt war, vielleicht nicht das ganze Ausmaß erfassen konnte. Aber sie drängte mich, nach vorne zu schauen und zu vergessen, und das war genau das, was ich brauchte.
     
    Am Tag von Curts Party ging ich schon am frühen Abend zu Annette. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich Mama in der Fabrik alleine ließ, aber ich wollte wenigstens einmal ein wenig Spaß haben, so wie die anderen Jugendlichen in meinem Alter.
    Mrs Avery küsste mich auf die Wange. »Wie schön, dich mal wieder zu sehen!«
    Ich lächelte. Sie gehörte zu den Menschen, die ich auf der Welt am liebsten mochte, auch wenn ich sie so gut wie nie sah.
    Annette lieh mir ein altes Kleid, aus dem sie herausgewachsen war. Es war cremefarben und passte wie angegossen, aber es war kürzer als alles, was ich bisher getragen hatte. Es fühlte sich ziemlich verwegen an, wie der Stoff oberhalb meiner nackten Knie raschelte. Zum Glück hatten wir die gleiche Schuhgröße, so dass ich auch ein Paar Pumps von ihr leihen konnte. Dann schminkte mich Annette, und inzwischen hatte sie deutlich mehr Übung als damals im Kino. Nachdem sie mir noch Glanzspray ins Haar gesprüht hatte, erkannte ich mich selbst kaum noch wieder, als ich in den Spiegel sah.
    »Du siehst umwerfend aus«, stellte sie fest.
    Ich drehte mich um und schlang die Arme um sie. »Du bist die beste Freundin der ganzen Welt!«
    Annette trug ein cooles, bunt bedrucktes Kleid und eine Lederhandtasche von ihrer Mutter.
    Ich flocht ihr den Pony aus dem Gesicht. »Du siehst auch wunderschön aus.«
    Mrs Avery fuhr uns mit dem Auto zu Curt, der am östlichsten Ende der Upper East Side in Manhattan wohnte. Als wir vor der Tür hielten, kam ein Portier und hielt mir und Annette die Autotür auf. Die Luft war warm, aber es wehte eine kühle Brise vom Fluss herüber. Wir winkten Mrs Avery zum Abschied zu und verschwanden in der Drehtür. Der Portier stand draußen und schob uns an, so dass wir überhaupt nichts machen mussten. Ein weiterer Portier hinter einem Tresen erklärte uns, wie wir zu Curts Wohnung kamen.
    Während ich mich bemühte, nicht allzu offensichtlich zu gaffen, stolzierte Annette hocherhobenen Hauptes durch die Eingangshalle und schwenkte ihre Handtasche wie eine Dame. Neben den Aufzügen stand ein riesiges Blumengesteck. Ich streckte die Hand aus und berührte ein Blütenblatt. Die Blumen waren echt.
    »Was machen die, wenn die Blumen verwelkt sind?«, fragte ich Annette.
    »Dann besorgen sie natürlich neue.«
    Was für ein finanzieller Aufwand! Als wir vor der richtigen Wohnung angekommen waren und auf die Klingel drückten, machte uns Curt die Tür auf. Wummernde Musik drang auf den Gang hinaus.
    »He, du bist ja doch gekommen!« Seine Augen blieben an meiner Aufmachung hängen. »Wow!« Das war nicht mehr der übliche flirtende Blick: Er starrte mich an, als wäre ich eine seiner Skulpturen.
    Seine Bewunderung freute mich. Ich senkte den Blick auf den rostroten Teppich. »Danke. Annette hat mir ein bisschen geholfen.«
    Annette kicherte hinter meinem Rücken.
    »Kommt rein. Werft einfach alles, was ihr nicht mit euch rumschleppen wollt, ins Schlafzimmer meiner Eltern.« Curt verschwand durch eine Tür.
    Das war also eine Party. Es brannte keine einzige Lampe. Ich spähte ins Wohnzimmer, in dem Curt verschwunden war. Selbst im Dunkeln konnte man erahnen, dass die Wohnung riesig war, die Fenster waren furchtbar weit weg. In der Ferne sah ich die Lichter der Stadt funkeln, und die beleuchteten Boote auf dem East River.
    Es war bereits ziemlich voll. In einer Ecke des Wohnzimmers drehte sich eine Discokugel, und ein paar Leute tanzten. Ansonsten war es dunkel, bis auf kleine Ansammlungen von Teelichtern, die im ganzen Zimmer verteilt waren. Ich war davon ausgegangen, dass Curts Eltern eine kleine Ansprache auf

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