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Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Titel: Goodbye Chinatown: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Kwok
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lachte.
    Unter den wilden Haarsträhnen war sein Gesicht rot vor Wut. »Gib das sofort zurück!«
    Ich schleuderte ihm das Tuch ins Gesicht und griff nach Parks Arm. »Lauf!«
    Wir waren schon ein paar Schritte weit gekommen, als Rotes Kopftuch, der sich gerade an die Verfolgung machen wollte, beim Genick gepackt und herumgerissen wurde. Vor ihm stand Matt.
    »Was vergreifst du dich an meinem kleinen Bruder, wo du doch nicht mal ein Loch im Arsch hast?« Matt spannte mit geballten Fäusten die Arme an und schien sich plötzlich zu doppelter Größe aufgepumpt zu haben. Mühelos schleuderte er Rotes Kopftuch zu Boden.
    »Ist das dein Bruder? Sorry, Matt, hab ihn nicht erkannt.«
    Matt zog ihn wieder auf die Füße.
    »Du wusstest es. Du Überrest eines menschlichen Wesens.«
    Die anderen Jungs riefen: »Ganz ruhig, Matt. Er wollte nur ein kleines Spielchen mit ihm machen, mehr nicht. War nur Spaß.«
    Matt sah aus, als hätte er am liebsten zugeschlagen, aber dann ließ er Rotes Kopftuch einfach abrupt los und auf den Boden fallen. »Es lohnt sich nicht, dich in die Erde zu pflanzen.« Matt meinte, dass er die Mühe nicht wert war.
    Das Rote Kopftuch rappelte sich auf und trat zusammen mit dem Rest der Bande die Flucht an. Vivian blieb allein zurück und sah Matt entschuldigend an.
    Auch Park und ich waren zurückgekehrt und in sicherem Abstand stehen geblieben.
    »Bei euch alles okay?« Matt bückte sich, um eine Haarspange aufzuheben, die ich bei meinem Fluchtversuch mit Park verloren hatte. Behutsam steckte er sie mir wieder ins Haar, und wenn ich mich nicht irre, verharrte seine Hand dort ein wenig länger als notwendig. Der Blick, den er Vivian zuwarf, war kühl. Ich sah, dass sie den Tränen nahe war.
    »Vivian hat auch versucht, die Jungs zurückzuhalten«, sagte ich.
    »Natürlich«, antwortete Matt. Er atmete immer noch schwer. Ich spürte förmlich, wie das Adrenalin aus ihm entwich. Er warf einen Blick auf die Pflanze, die achtlos auf dem Boden gelandet war, und drehte sich zu Vivian um. »Dein Verehrer hat sich aus dem Staub gemacht, ohne dir deine Pflanze zurückzugeben.«
    »Matt …«, sagte sie.
    »Vergiss es«, winkte er ab. Er hob die Pflanze auf und legte den Arm um Vivian. »Na komm«, sagte er zu Park, und dann gingen die drei zusammen davon.
     
    Durch die hohen Fenster sah ich den Frühlingsregen auf die Bäume prasseln. Ich gab Curt immer noch Nachhilfe. Viele Schüler hatten Angst vor den Zentralklausuren am Ende der elften Klasse und belegten bereits seit Monaten außerschulische Vorbereitungskurse. Auch Curts Eltern hatten ihn dazu gedrängt, aber er hatte sie stattdessen zu zusätzlichen Nachhilfestunden bei mir überredet. Meine eigene Prüfungsvorbereitung würde sich darauf beschränken, ein paar Beispielaufgaben aus dem Begleitheft durchzugehen, das ich zusammen mit dem Anmeldeformular zugeschickt bekommen hatte. Ich besaß nicht einmal ein Buch mit Übungsaufgaben.
    Wir trafen uns oft im Kunstraum, wo Curt so viel Zeit verbrachte, dass er dort seine Arbeiten aufbewahren durfte. Ich
war zu früh dran und grübelte über die Zentralklausuren nach, während ich wartete, bis Curt so weit war. Nachdenklich betrachtete ich den mit Farbklecksen und Holzspänen übersäten Boden. Man musste immer aufpassen, dass man nicht auf eine Motorsäge oder Schleifmaschine trat, die Curt gerne eingestöpselt herumliegen ließ. In der Luft lag der Geruch von Regen und Holz und Tapetenkleister.
    Bevor unsere Nachhilfestunde beginnen konnte, bepinselte Curt noch einige Holzstücke mit Kleister und erzählte mir von einem Paar Schuhen, das er im Müll gefunden hatte und nun stolz an den Füßen trug.
    »Das ist der Beweis dafür, dass es glückliche Zufälle gibt. Die Schuhe sind genau dann aufgetaucht, als ich sie brauchte.« Sorgfältig fügte er die Holzstücke zusammen und fixierte sie mit einer Klammer.
    Ich schaute mir die Schuhe genauer an, die unter seiner ausgeblichenen Jeans hervorlugten. Es waren braune Arbeiterschuhe mit abgetretenen Absätzen. »Hast du sie wenigstens vorher sauber gemacht?«
    »Nö.«
    »Es ist nicht so lustig, arm zu sein, wie du vielleicht glaubst.« »Ich versuche nur, die Insignien eines vergeudeten Lebens abzuschütteln.«
    »War es wirklich vergeudet? Dass deine Eltern dir ein sicheres Zuhause bieten konnten?«
    »Sie kamen beide schon mit Geld auf die Welt. Treuhandfonds-Kind eins heiratet Treuhandfonds-Kind zwei.«
    »Ich dachte immer, Lektoren wären gebildet und

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