Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)
rücksichtsvoll.«
»Nein. Na ja, vielleicht ein bisschen. Was ist mit deinen Eltern?«
»Die haben aus Liebe geheiratet.«
Ich schlenderte durch den Raum und sah, dass er seine Jacke achtlos auf eine Staffelei geworfen hatte. Ein Ärmel hing auf den Boden. Ich hob die Jacke auf und fuhr mit dem Finger über den feinen Stoff, bevor ich sie umdrehte und über das Seidenfutter im Paisleymuster strich. Ich hängte sie wieder auf und achtete darauf, dass sie nicht auf dem Boden schleifte.
Curt hatte nichts davon mitbekommen. Er wusch sich an einem kleinen Waschbecken in der Ecke die Hände und trocknete sie dann an seinem T-Shirt ab. »Dank meiner gebildeten, rücksichtsvollen Eltern darf ich übrigens eine Party schmeißen. Kommst du?«
»Ich glaube nicht«, sagte ich automatisch. Das war meine Standardantwort, wenn mich jemand einlud oder wenn mich die Jungen, mit denen ich knutschte, außerhalb der Schule treffen wollten. »Ich habe viel zu tun.«
»Na ja, eigentlich bist du so was wie der Anlass für die Party. Meine Eltern sind überglücklich, dass ich noch nicht von der Schule geflogen bin, und die Party ist als Belohnung und Anreiz gedacht, bevor die wichtigen Prüfungen anfangen.«
»Ich weiß nicht.«
»Ohne dich hätte ich es nicht geschafft. Es ist also sozusagen deine Party. Betrachte sie einfach als besonders lange Nachhilfestunde.«
Ich lachte. Die Versuchung war groß. Ich war noch nie auf einer Party oder einem Tanzabend gewesen, und jetzt hatte ich endlich einen guten Grund. »Ich denke drüber nach.«
Ich fand Annette im Theater. Sie hatte nicht nur eine Nebenrolle im aktuellen Stück, sondern half auch als Inspizientin aus. Als ich kam, stand sie gerade auf der Bühne und ging mit einem Stock in der Hand auf eine Couchgarnitur zu.
»Ich brauche einen längeren!«, rief sie jemandem hinter der Bühne zu. Ihre Lockenmähne hatte sie mit einem blauen Haarband zurückgebunden.
»Annette!« Ich blieb am Bühnenrand stehen, weil mich das helle Scheinwerferlicht verlegen machte.
»Hey!« Sie kam nach vorne und kniete sich hin, damit wir uns unterhalten konnten.
»Curt hat mich auf eine Party eingeladen. Was soll ich tun?«
Ihre Augenbrauen schossen fast bis zum Haaransatz hoch.
»Denkst du etwa drüber nach? Warum? Du gehst doch nie auf Partys.«
Ich drehte den Knopf meines Blazers. »Ich weiß. Aber ich könnte hingehen. Nicht immer. Nur dieses eine Mal.«
»Aha, du stehst also auf ihn!« Ihre Stimme schallte durchs ganze Theater.
»Psst! Nein! Wir sind nur Freunde. Ist wohl keine gute Idee, auf die Party zu gehen.«
»Doch, ich fände es toll, wenn du endlich mal zu einer Party gehen würdest! Du musst öfter raus.« Sie runzelte die Stirn. »Aber zu meinen Aufführungen oder Partys kommst du nie.«
»Ich weiß.« Ich seufzte. Annette hatte es manchmal wirklich nicht leicht mit mir. Deshalb sagte ich ja immer Nein: weil ich mich sofort mit weiteren Einladungen auseinandersetzen musste, wenn ich einmal Ja sagte. Eine Party konnte ich Mama vielleicht abringen, aber mehr bestimmt nicht. Mein Wunsch, auf diese Party zu gehen, war eine spontane Anwandlung, aber er hatte natürlich auch mit Curts Behauptung zu tun, die Party finde unter anderem meinetwegen statt.
»Kommst du dann auch, wenn ich dich das nächste Mal einlade?«
»Ja. Versprochen.«
Annette und ich fingen sofort an, Pläne zu schmieden. Mama würde mich nie auf eine Party gehen lassen, die von einem Jungen veranstaltet wurde. Ich würde ihr also erzählen, dass ich bei Annette übernachtete, und dann würden Annette und ich zusammen zu der Party gehen. Ich war mir sicher, dass Curt nichts dagegen hatte, wenn ich sie mitbrachte. Jetzt musste ich nur noch Mama überzeugen.
Mama runzelte die Stirn. »Warum willst du plötzlich bei Annette übernachten?«
»Mama, ich wollte schon immer bei Annette übernachten. Die anderen Jugendlichen … du weißt ja gar nicht, was die alles dürfen, was für Freiheiten die haben! Ich frage dich nie, weil du sowieso Nein sagst.«
Mama sah mich prüfend an. »Das ist nicht leicht für dich, ich weiß.«
»Wir kennen Annette doch schon so lange. Und du hast sogar ihre Eltern kennengelernt.«
»Das stimmt.« Die Abschlussfeier meiner Grundschule war zwar schon ewig her, aber Mama legte Wert darauf, Annettes Eltern zumindest einmal gesehen zu haben. Seit damals war Annette allerdings nur noch telefonisch präsent gewesen. »Also gut. Aber nur dieses eine Mal. Sonst will sie
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