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Goodbye Leningrad

Goodbye Leningrad

Titel: Goodbye Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Gorokhova
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klebrig sind. Dann holt er eine Leiter aus dem Schuppen, trägt sie zum Haus und lehnt sie an die Außenwand.
    Ich wische mir mit dem Handrücken über das Gesicht, befreie mich aus Großmutters Umarmung und marschiere durch das Gartentor auf das Feld, wo die Blumen, die Hühnerblind genannt werden, in voller Blüte stehen. Das Gras um mich herum ist so beschützend und weich wie die Arme meiner Großmutter. Ich werde die gelben Blumen essen und blind werden, dann brauche ich meiner Mutter und Deduschka nicht beim Anstreichen des Hauses zu helfen. Ich werde mit ausgestreckten kraftlosen Händen tastend durch unseren Garten gehen, gegen die Apfelbäume laufen, über die Ziegel stolpern, gefährlich nah am Brunnenrand schwanken. »Seht sie euch nur an«, werden mitfühlende Nachbarn hinter vorgehaltener Hand flüstern, so dass meine Mutter sie nicht hören kann, und ihren Kindern sagen, sie sollen mich nicht so anstarren. »Ihre Mutter hat ihr früher einmal nicht erlaubt, zum Angeln zu gehen   …«
     
    Ende August wandeln sich die Pflichten auf der Datscha. Mit dem Gießen und Unkrautjäten ist es vorbei; unsere vereinten |64| Kräfte werden unter Deduschkas Kommando zum Ernten und Einmachen eingesetzt. Wenn im Juli die Erdbeersaison zu Ende geht, ist es Zeit für die Himbeeren und Johannisbeeren. Die Johannisbeeren werden ganz durchsichtig, ihr Fruchtfleisch ist von weißen Adern durchzogen, bereit, in der intensiven Augustsonne zu reifen. Die Himbeeren werden in der Sonne weich und erröten, kleine Blinkfeuer inmitten von Urwäldern aus Brennnesseln. Himbeeren und Brennnesseln   – immer zusammen.
    Wie sehr ich mich auch bemühe, den Brennnesselblättern auszuweichen, meine Arme sind jedes Mal, wenn ich mich mit einer Schüssel in ein Himbeerfeld vorwage, von Quaddeln überzogen. Und wenn ich wie durch ein Wunder von den Brennnesseln verschont bleibe, werde ich von den Dornen der Himbeeren zerkratzt. Dabei ist es unmöglich, an den Himbeersträuchern vorbeizugehen, ohne mitten hineinzugreifen, wo die größten und süßesten Beeren wachsen. Wenn meine Mutter mich sieht, wird sie die Augenbrauen zusammenziehen und sagen, ich sei eine
egoistka
, eine, die nicht an die anderen denke.
    Ich weiß, ich darf die Beeren nicht essen, das ist eins der ungeschriebenen Gesetze der Datscha. Ob Erdbeeren, Himbeeren, rote und schwarze Johannisbeeren, haarige Stachelbeeren oder violette Pflaumen   – alles wird in Töpfen und Körben gesammelt, gesäubert, in Haufen auf dem Küchentisch sortiert und für den Winter zu Marmelade eingemacht.
    Der gewaltige Küchenherd glüht, durch die Metallringe der Kochplatten schnellen die Schlangenzungen des Feuers. Daneben befindet sich ein Holzstoß   – der Herd muss ständig gefüttert werden, er darf noch nicht einmal einen Anflug von Hunger verspüren. Alle fünfzehn Minuten öffnet Deduschka mit einer Eisenstange den lodernden Schlund und wirft ein weiteres Scheit in die Flammen. Sonst würden die Marmeladen, |65| die in gewaltigen Kupferkesseln darauf brodeln, nicht gelingen: Die Alchemie von Zucker und Frucht vollzieht sich nur bei konstanter Temperatur.
    Meine Mutter trägt eine alte Schürze vor dem Bauch. Darunter hat sie nur einen baumwollenen Büstenhalter und rosa Schlüpfer an, die ihr bis zu den Knien reichen. Ihr Gesicht glänzt, Schweißperlen, die über ihrer Oberlippe entstehen, rinnen über ihr Kinn. Sie rührt die köchelnden Marmeladen mit einer Kelle, damit sie sich nicht auf dem Boden der Kessel festsetzen. Die Himbeeren köcheln langsam vor sich hin, bis sie mit einem Seufzer, einem schläfrigen, überdrüssigen Laut, Blasen zu werfen beginnen   – nun prüft meine Mutter, ob sie fertig sind. Sie taucht einen Löffel in die heiße Marmelade und lässt sie ganz langsam wieder in den Kessel fließen: Wenn sie sich leicht, in einem Fluss gießen lässt, muss die Marmelade noch weiter gekocht werden, aber wenn sie zögernd, in einzelnen, zähen Tropfen herabfällt, dann ist sie fertig.
    Das ist der Augenblick, für den sich alle Mühe   – das Kurbeln am alten Brunnen, die Brennnesselquaddeln, die Hitze in der Küche   – lohnt, der Augenblick, wenn ich die Kessel auslecken darf, nachdem die Marmelade für den Winter in Drei-Liter-Gläser abgefüllt worden ist. Der dicke Film, der das Kesselinnere überzieht, eine klebrige Mischung aus gekochtem Zucker und Frucht, ist die allergrößte Belohnung.
    Mit dem Suppenlöffel kratze ich sie aus und genieße jeden

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