Google-Mitarbeiter Nr. 59
wollte Sarars Idee nicht grundsätzlich ablehnen und stimmte zu, es auf einen Versuch ankommen zu lassen.
Shari schlug vor, die Gestaltung einem professionellen Designer zu überlassen. »In alles, was an 30.000 unserer treuesten Anhänger geht, sollten ernsthafte Überlegungen investiert werden«, beharrte sie. »Vor allem da wir kein anderes Google Branding da draußen betreiben.«
»Hmmm«, dachte ich laut. »Das ist etwas, das ich selbst tun könnte – die Chance, einen Home Run hinzulegen.«Außerdem hatte ich bereits herausgefunden, dass Larry und Sergey nur ungern Geld für freie Mitarbeiter ausgaben. Ich steckte mein Herzblut in dieses Projekt. Stundenlang suchte ich nach den perfekten Archivfotos und schrieb Textzeilen, die Zufallsbilder locker mit Google-Produkten verbanden.
Die Firma mit den Postkarten wurde dichtgemacht, bevor auch nur eine einzige Karte verschickt werden konnte. Von meiner Arbeit blieb nichts als eine Sammlung gezwungener Wortwitze. Ich trat mich selbst dafür in den Hintern, dass ich einem Nebenprojekt Priorität eingeräumt hatte. Es musste doch wichtigere Dinge zu tun geben. Warum fiel es mir so schwer, in die Gänge zu kommen?
Ich verspürte eine sonderbare Lähmung, hervorgerufen durch eine unendliche Zahl von Möglichkeiten. Wie oft konnte ich meinen Schreibtisch neu organisieren und To-do-Listen erstellen? Ich suchte nach etwas Vertrautem, nach dem ich greifen konnte. Mein ehemaliger Arbeitgeber, Knight Ridder, kündigte an, dass sie ihren Online Clipping Service NewsHound einstellen würden.
Google könnte die Technologie aufkaufen, verbessern, sie umbenennen und neu auf den Markt bringen. Ein News-Alert-System schien mir sehr geeignet für Google, da es bei uns schließlich darum ging, Menschen Informationen zukommen zu lassen. Ich schickte Larry und Sergey einen Vorschlag. Die beiden fanden es wert, sich die Sache genauer anzusehen und baten mich, ein Meeting anzusetzen. Das hörte sich doch schon besser an – ich würde im Alleingang die Kluft zwischen alten und neuen Medien überbrücken.
»Was genau würden wir kaufen?«, fragte mich Sergey ein paar Tage, bevor das Meeting stattfinden sollte.
»Deren Filtertechnologie«, antwortete ich. »Über die Nachrichteneinspeisung werden wir gesondert verhandeln müssen.«
»Oh«, sagte Larry. »Das ist nicht sonderlich interessant.«
»Ja«, stimmte Sergey zu. »Die Nachrichteneinspeisung ist der spannende Teil. Um über das andere Zeug zu reden, brauchen wir uns nicht zusammenzusetzen. Lass Salar einen Blick darauf werfen, ob es die Mühe lohnt, den Daten nachzujagen.«
Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf Salar und versuchte, etwas von dem ursprünglichen Vorschlag zu retten. Sergey wollte Nachrichten in unserem Index, da konnten wir doch bestimmt etwas erarbeiten? Salar legte sich nicht fest. »Ich bin nicht sicher, ob wir unserer Site auf diese Weise Nachrichten hinzufügen wollen«, sagte er mir, nachdem er mit Sergey gesprochen hatte.
Tatsächlich war ich nicht einmal nahe dran. NewsHound wurde vor die Tür gesetzt wie eine räudige Promenadenmischung. Ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen, waren Sergey und Larry davon überzeugt, im eigenen Haus etwas Besseres entwickeln zu können. Programme zu schreiben war leicht, warum also Geld ausgeben für irgendeine Promenadenmischung, die sie dann auch noch überarbeiten mussten? Was wir wirklich brauchten, war der Inhalt, denn eine interne Nachrichtenorganisation aufzubauen war kompliziert und teuer.
Wäre NewsHound eine durchschlagende, Branchen verändernde Technologie gewesen, hätten Larry und Sergey nicht nur das Programm haben wollen, sondern auch die Techniker, die es geschaffen hatten und vom Google-Kaliber waren. Auf diese Weise würden Google sowohl deren zukünftige bahnbrechende Ideen gehören sowie diejenigen, die sie bereits entwickelt hatten. Larry und Sergey mieteten nicht gern Intelligenz, wenn sie sie kaufen konnten. Es gibt nur so wenige wirklich kluge Köpfe auf dieser Welt. Warum sie also nicht sammeln?
Andere Initiativen, die ich anführte, kollidierten ebenfalls mit der Art und Weise, wie bei Google die Dinge gemacht werden. Ich war seit mehr als einem Monat im Amt und hatte lediglich ein Projekt vorzuweisen – die UI-Richtlinien, an denen ich mit Karen White gearbeitet hatte –, das ich als Erfolg bezeichnen konnte. Irgendwie jedenfalls.
Meine Fehlschüsse begannen sich zu stapeln. Ich betete, dass niemand auf die Anzeigetafel guckte.
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