Google-Mitarbeiter Nr. 59
strategischen Plans. Sie sah mich wortlos an. Google hatte keinen strategischen Plan. Außer der Handvoll PowerPoint-Folien, die wir nutzten, um unsere Risikokapitalgeber zu beruhigen, gab es nichts Schriftliches darüber, wie dieses Unternehmen erfolgreich sein wollte. Alles existierte nur in den Köpfen von Larry und Sergey, die nie in der Stimmung waren, darüber zu sprechen.
Ich fand die Kopie der Risikokapitalpräsentation. Ganz sicher würde unsere Strategie direkt auf der ersten Folie stehen. Stattdessen starrte ich auf einen Doonesbury Cartoon, in dem der Unternehmer Bernie sagt: »Seht euch die Suchmaschine an, Jungs. Sie haben keine Hard-Assets, nur Software, die einen in den Wahnsinn treibt. Trotzdem haben sie einen Marktwert in Milliardenhöhe. Und wenn jemand mit einer intelligenten Suchmaschine daherkommt, einer, die wirklich funktioniert, lösen sich diese Firmen über Nacht in Luft auf.«
Ich blätterte durch die Folien, aber es gab nicht viel mehr als eine allgemeine Darstellung von Googles Managementteam, eine Liste der Wettbewerber, ein paar Zahlen zu Marktanteilen, ein Budget und eine Folie, auf der stand: »Was ist das Geheimnis von Google? 4+ Jahre Forschung und Entwicklung in Stanford und bei Google.com + ein hoch qualifiziertes Team.« Das klärte natürlich die Dinge.
»Als ich versuchte, mehr Details hineinzupacken, wollten sie mir nichts verraten«, erklärte mir Salar, als ich ihn auf die Gedanken ansprach, die hinter diesem dürftigen Inhalt steckten. Diese Folien zusammenzustellen war seine erste Aufgabe bei Google gewesen. Larry und Sergey wussten, dass einige der Firmen, mit denen sie Beteiligungsgespräche führten, bereits in konkurrierende Suchmaschinen investiert hatten, und sie dachten nicht im Traum daran, ihre guten Ideen preiszugeben.
»Deshalb wurde die Präsentation ein bisschen trocken«, fuhr Salar fort. »Sergeys Lösung bestand darin, sie in der Nacht vor unserem ersten Meeting mit Clipart zu versehen.« Ich versuchte, mir die Power-Broker des Silicon Valley vorzustellen, die ernsthaft erwägten, 10 Millionen Dollar zu investieren, während um Googles potenzielle Umsatzströme herum kitschige Geldbäume und blinkende Dollarzeichen (Technologieverkäufe und gezielte Werbung) sprossen. Dann stellte ich mir ihre Reaktion auf Googles aggressive Sitebesucher-Prognosen vor, laut denen das Unternehmen innerhalb von zwei Jahren 50 Prozent der gesamten Internetsuchen abwickeln wollte. Nicht einmal im Silicon Valley wuchs eine Firma so schnell.
1999 hätte man eine Glaskugel oder Halluzinationen auslösende Drogen gebraucht, um sich Googles zukünftigen Erfolg vorstellen zu können. Oder man konnte es sich leisten, sein Geld zu verbrennen. Kleiner Perkins und Sequoia musste es so gehen, denn die beiden Venture-Capital-Firmen investierten jede 12,5 Millionen Dollar, was die Zyniker im Valley dazu brachte, »Googling« zum Synonym für »Geld beschaffen, ohne einen Geschäftsplan zu haben« 20 zu machen.
Der Folienstapel sagte nichts über das Vermarkten von Google, also würde ich bei null anfangen müssen. Ich zeichnete eine Pyramidengrafik, die eine Hierarchie der User abbildete, mit »Technikerfahrung« an der Spitze und »Newbies« am unteren Ende. Dazu skizzierte ich ein Dreistufenprogramm, das uns durch alle dazwischenliegenden Stufen bringen sollte. Ich stellte Fragen, auf die wir keine Antwort hatten. Wie groß war der Markt »Computererfahrener«? Hatten wir davon bereits den größten Teil für uns gewonnen? Würden wir neue Produkte brauchen, um die weniger versierten User anzusprechen? Die Marktforschung könnte uns das sagen, aber bis dahin machte ich Vorschläge über das Erstellen geschützter juristischer Datenbanken sowie für durchsuchbare Einträge über Domain-Registrierungen und das Einführen eines Google-Fellows-Programms, um treue User zu belohnen. Zuversichtlich schickte ich dieses Programm an unsere Führungsspitze. Es enthielt keine Vorschläge, viel Geld für Mainstream-Medien auszugeben, stattdessen betonte es die Bedeutung des Datensammelns. Larry und Sergey schienen Daten zu mögen.
»Gute Arbeit«, antwortete Sergey. »Das ist eine gute Ausgangsposition.« Okay, die meisten meiner unterstützenden Argumente focht er an, aber er erteilte keinen Hieb in den Magen, der meinen Plan sich auf dem Boden windend und seine Inhalte von sich gebend zurückließ. Larry reagierte reservierter. Aber er mochte die Fragen, die ich stellte, und fand die Idee
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