Gooliath - Vergeltung: Thriller (German Edition)

einfach nur da und ließ den Regen gewähren. Die Tropfen streichelten sein Gesicht, als wollten sie sagen: »Du bist nicht allein.«
    Mit geschl ossenen Augen tauchte David in seine Gedanken ab. Er erinnerte sich an einen längst vergangenen Sommer in den Vereinigten Staaten. Es war wochenlang brütend heiß gewesen, doch an diesem Abend hatte der Regen sein Terrain zurückerobert.
    Sie saß en mit mehreren Jugendlichen in einem alten Baumhaus und erzählten sich Gruselgeschichten. Der Regen schuf eine grandiose Atmosphäre dazu. So vergaßen sie die Zeit und hätten im morastigen Untergrund beinahe nicht zurück nach Hause gefunden. In einem Gebiet, in dem sich schon Erwachsene am Tage verliefen. Gemeinsam bestanden sie dennoch diese erste harte Prüfung ihres Lebens. Ein Abenteuer, wie es sich Kinder wünschten, ohne auch nur zu ahnen, welche Gefahren in der Dunkelheit lauerten.
    Den wirklichen Horror durchlitten hingegen ihre Eltern, denn keiner wusste, wo sich die Kinder zum fraglichen Zeitpunkt aufhielten. Als sie nachts wieder wohlbehalten zu Hause eintrafen, war die Polizei bereits fleißig am Suchen. Doch auch der auferlegte Hausarrest konnte nicht verhindern, dass David seit diesem Tag nicht mehr derselbe war. Er war erwachsener und reifer. Er übernahm eigene Verantwortung und entschied einen Teil seines Schicksals jetzt selbst. Das war nun gut neun Jahre her.
    Er ö ffnete wieder seine Augen. Durch einen Schleier aus Wasser blickte er in eine Reihe besorgte Gesichter. Frau Berghoff schien der Hintergrund seines Anfalls bekannt zu sein: »Josua sagte mir, dass du an ALS leidest. Aber das diese Erkrankung in deinem Alter schon so weit fortgeschritten ist, habe ich nicht für möglich gehalten. Kannst du aufstehen?«
    David sortierte seine Gedanken. Hier, wo er lag, war er im Einklang mit sich und der Natur. Hier fü hlte er sich zu Hause. Sich erheben musste er dennoch. Er schloss ein letztes Mal die Augen und speicherte so viel es ging von diesem Augenblick. Dann drehte er sich zur Seite und ließ sich von mehreren helfenden Händen auf die Beine ziehen. Zitternd, aber froh, richtete er sich auf: »Der Krampf eben war noch heftiger als gestern.«
    Die anderen wirkten ü berrascht. »Das war also nicht der erste Anfall dieser Art?«, fasste Berghoff zusammen. »Genau, aber der Erste war weit weniger stark. Da bin ich nur in die Knie gegangen. Eben gerade konnte ich mich beim besten Willen nicht mehr aufrecht halten.« Diese Worte wirkten nicht beruhigend. Auch David war insgeheim besorgt. Seine Krankheit schritt immer schneller voran. Noch 24 Stunden bis zu seiner Operation. Dann würden die Ärzte an Bord beweisen können, wie halbgottgleich sie wirklich waren.
    Etwas langsamer setzte die Gruppe ihren Weg fort. David zog allerdings den Großteil der Aufmerksamkeit auf sich. Mit jeder Minute sank die Anspannung bei allen Beteiligten schließlich auf ein erträgliches Niveau. Sie erreichten eine begrenzende Wand. Offensichtlich war hier das Tropensegment zu Ende.
    Eine weitere Tü r schleuste sie in den nächsten Bereich. In dem kleinen Zwischenareal legten alle ihre nassen Overalls ab. Die jungen Studenten waren hin- und hergerissen. Einerseits wirkten sie wie elektrisiert ob der großartigen Errungenschaften dieser Raumstation. Andererseits saß der Schreck über das gerade Erlebte noch tief.
    » Das ist wirklich vollkommen unglaublich. Muss doch Jahrzehnte und immense Kosten verschlungen haben.«, brach Britta die Stille. Susanne wechselte ihren Blick von David auf sie: »Korrekt. Doch Gooliath hat den Prozess sehr beschleunigt. Er ist nämlich nicht nur ein Asteroidenkiller, sondern auch höchst geschickt im Planen und Errichten von Forschungsstationen. Ein echtes Universalgenie.«
    In diesem Zu sammenhang fiel David eine Besonderheit auf. Frau Berghoff verwendete das Wort ‚er‘ anstatt ‚es‘, doch das konnte auch reiner Zufall sein. Menschen neigten dazu, Dinge zu personifizieren. Und Gooliath als Zentralcomputer war doch wohl eher ein Ding, oder etwa nicht?
    Die Schleuse ö ffnete sich in Richtung des Folgesegmentes. Heiße Luft strömte in den Zwischentrakt. Susanne gab kurze Instruktionen: »Der nächste Bereich ist eine Art Superwüste. Zu Forschungszwecken für Leben an extrem feindlichen Orten aber sehr nützlich. Ich schlage euch also vor, nicht zu reden, um eure Schleimhäute zu schonen. Atmet, wenn möglich, durch die Nase. Wir werden den Bereich in Richtung Zentralstation wieder