GOR-Zyklus 01 - Gor - die Gegenerde
meine Tunika und zog eine blutige Furche über meine Haut. Das Metall bohrte sich zwanzig Zentimeter tief in einen Holzpfeiler hinter mir. Wäre ich nicht zur Seite gesprungen, hätte mich der Speer glatt durchbohrt.
»Schnell genug ist er«, sagte der Mann, der den Speer geworfen hatte. »Ich nehme ihn.«
Das war meine erste Begegnung mit meinem Waffe n meister, der ebenfalls Tarl hieß. Ich werde ihn den Ält e ren Tarl nennen. Er wirkte wie ein blonder Wikinger, ein bärtiger Bursche mit fröhlichem, ze r furchten Gesicht und wilden blauen Augen, der die Welt als sein Eigentum zu betrachten schien. Er war ein stolzer Mann ohne Arr o ganz, ein Mann, der wußte, daß er seine Waffen b e herrschte und mit j e dem Gegner fertigwerden konnte.
Mit der Zeit wurde ich gut mit ihm bekannt, denn der weitaus größte Teil meiner Ausbildung galt nun den Waffen – im wesentlichen dem Training mit Schwert und Speer. Der Speer kam mir wegen der geringeren Schwe r kraft besonders leicht vor, und ich entwickelte bald eine große Geschicklichkeit damit. Ich konnte auf kurze En t fernung einen Schild durchbohren und vermochte auf zwanzig Meter Entfernung ein Ziel von der Größe eines Suppentellers zu treffen.
Auch sollte ich nun lernen, den Speer mit der linken Hand zu werfen.
»Was ist, wenn du am rechten Arm verwundet bist?« fragte der Ältere Tarl, der mein Widerstreben bemerkte. »Was tust du dann?«
»Fliehen?« fragte Torm, der meine Übungen von Zeit zu Zeit besuchte.
»Nein!« rief der Ältere Tarl. »Du mußt weite r kämpfen und sterben wie ein Krieger.«
Torm klemmte sich eine Schriftrolle unter den Arm und wischte sich die Nase. »Ist das vernünftig?« fragte er.
Der Ältere Tarl ergriff einen Speer, und Torm hob h a stig seine blaue Robe und verschwand.
Verzweifelt machte ich mich an die Arbeit und en t wickelte zu meiner Überraschung nach einiger Zeit auch mit dem linken Arm eine gewisse Fertigkeit. Ich hatte meine Überlebenschancen um einen unbestimmten Pr o zentsatz verbessert.
Mein Training mit dem kurzen, breiten Schwert der Goreaner war ebenfalls sehr gründlich. Ich hatte in O x ford einem Fechtklub angehört und brachte daher gewi s se Grundkenntnisse mit, aber hier wu r de es nun wirklich ernst. Wieder mußte ich die Klinge mit beiden Händen führen lernen, obwohl ich mir eingestehen mußte, daß ich ein unheilbarer Rechtshänder war.
Während meiner Schwertausbildung verletzte mich der Ältere Tarl mehrmals mit seiner Klinge, wobei er stets zu meinem Ärger ausrief: »Du bist tot!« Gegen Ende des Trainings gelang es mir, seine Parade zu durchbrechen und ihm eine Stichwunde auf der Brust beizubringen. Ich zog mein Schwert zurück, dessen Spitze blutig war. Tarl warf seine Waffe krachend zu Boden und riß mich l a chend an seine blutende Brust.
»Ich bin tot!« brüllte er triumphierend. Er klatsc h te mir auf die Schultern, stolz wie ein Vater, der seinem Sohn das Schachspielen beigebracht hat und nun zum erste n mal geschlagen wurde.
Ich wurde auch im Gebrauch des Schildes unte r wiesen, der hauptsächlich dazu einzusetzen war, einen Speer harmlos abzulenken. Als meine Ausbildungszeit ihrem Ende zuging, kämpfte ich stets mit Schild und Helm. Ich hätte mir gewünscht, daß meine Rüstung durch einen Panzer oder vielleicht ein Kettenhemd ergänzt würde, aber ich mußte erfahren, daß die Priesterkönige das ve r boten hatten. Der Grund hierfür lag vielleicht in dem Wunsch, daß der Krieg ein biologisch selektiver Prozeß bleiben sollte, in dem die Schwachen und Langsamen u n tergehen und sich nicht weiter vermehren. Dies mag auch die Erklärung für die relativ primitiven Waffen sein, die die Menschen im Schatten der Be r ge führen durften.
Neben Speer und Schwert waren noch Armbrust und Bogen zugelassen; ich wurde jedoch kaum darin unte r wiesen, weil der Ältere Tarl wenig dafür übrig hatte. Er sah sie als zweitklassige Waffen an, die der Hand eines Kriegers unwürdig waren. Ich teilte seine Verachtung nicht und versuchte mich in meiner Freizeit damit zu b e schäftigen.
Ich ahnte, daß meine Ausbildung nun bald zu Ende war – vielleicht weil meine Ruheperioden länger wurden oder weil manche Dinge zur Sprache kamen, die ich bereits kannte; vielleicht lag es auch an der Haltung meiner I n struktoren. Ich spürte, daß ich nahezu bereit war – aber ich hatte keine Ahnung, wofür. Besonderen Spaß bereit e te mir in diesen letzten Tagen, daß ich die goreanische Sprache nun
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