GOR-Zyklus 01 - Gor - die Gegenerde
mühelos beherrschte. Ich begann auf G o reanisch zu träumen und vermochte auch meine Lehrer zu verstehen, wenn sie miteinander sprachen. Auch dac h te ich in Goreanisch und mußte mir stets einen kleinen Ruck geben, wenn ich wieder englisch denken oder spr e chen wollte. Einmal hatte ich sogar auf Goreanisch g e flucht, was den Älteren Tarl sehr amüsierte.
Die Zeit meiner Unterweisung rückte wieder heran, und als der Ältere Tarl meinen Raum betrat, trug er einen etwa sechzig Zentimeter langen M e tallstab, der an einem Ende eine Lederschlinge au f wies. An dem Griff befand sich ein Schalter. Ein ähnliches Instrument hing an se i nem Gürtel. »Das ist keine Waffe«, sagte er. »Es darf auch nicht als Waffe benutzt werden.«
»Was ist es dann?«
»Ein Tarnstab«, erwiderte er. Er legte den kleinen Schalter um und berührte damit den Tisch. Unzählige Funken sprühten gelblich in alle Richtungen, ohne auf dem Tisch eine Spur zu hinterlassen. Tarl schaltete den Stock aus und reichte ihn mir. Als ich die Hand danach ausstreckte, schaltete er ihn ein und drückte ihn mir in die Hand. Eine Milliarde gelber Sterne schien in meiner Hand zu explodi e ren. Ich schrie erschreckt auf und hob die Hand an den Mund. Es war wie ein kräftiger elektr i scher Schlag. Ich untersuchte meine Hand; sie war unve r letzt.
»Nimm dich vor einem Tarnstab in acht«, sagte der Ä l tere Tarl. »Das ist kein Spielzeug.«
Ich nahm den Stab langsam auf und achtete da r auf, ihn in der Nähe des Griffes anzufassen. Den Lederriemen legte ich mir um das Handgelenk.
Der Ältere Tarl verließ das Zimmer, und ich sollte ihm offensichtlich folgen. Wir erstiegen die Wendeltreppe, die an der Innenseite des Zylinderturms emporführte. Nachdem wir einige Dutzend Etagen hinter uns gebracht hatten, erreichten wir das flache Dach des Gebäudes. Der Wind fegte über die krei s förmige Ebene und drückte mich zum Rand. Es gab kein Geländer. Ich stemmte mich gegen den Wind und fragte mich, was nun geschehen sollte. Ich schloß die Augen. Der Ältere Tarl nahm eine Tarnpfeife aus seiner Tunika und ließ einen durchdri n genden Laut ertönen.
Ich hatte noch keinen Tarn zu Gesicht bekommen – mit Ausnahme von bildlichen Darstellungen in meinem Zimmer und in Lehrbüchern über die Pflege, die Zucht und Ausrüstung dieser Vögel. Man hatte mich absichtlich nicht auf diesen Augenblick vorbereitet, wie ich später erfahren sollte. Die G o reaner glauben, daß die Fähigkeit, einen Tarn zu beherrschen, angeboren sein muß. Man kann diese Eigenschaft nicht lernen. Es ist eine Sache des Blutes und des Willens, der Verbindung zwischen Tier und Mensch, einer Beziehung zwischen zwei W e sen, die intuitiv und spontan gegeben sein muß. Angeblich weiß ein Tarn ganz genau, wer ein Tarnsmann ist und wer nicht. Es heißt, wer keiner ist, stirbt bei der ersten B e gegnung mit seinem Kampfvogel.
Zunächst spürte ich nur einen gewaltigen Windhauch und hörte ein ohrenbetäubendes, schnappendes G e räusch, als knallte ein Riese mit einem Handtuch, dann duckte ich mich erschaudernd unter einem gewaltigen geflüge l ten Schatten. Ein riesiger Tarn mit Krallen wie gigant i sche Stahlhaken, die Flügel wildschlagend in der Luft, verhielt starr über uns.
»Vorsicht vor den Flügeln!« rief der Ältere Tarl.
Das Kommando war überflüssig; hastig stürzte ich zur Seite. Ein Schlag dieser Flügel mußte mich meterweit in die Leere hinausstoßen.
Der Tarn landete auf dem Dach des Zylinders und b e trachtete uns mit seinen schillernden, schwarzen Augen.
Obwohl der Tarn wie die meisten Vögel überraschend leicht ist – was in erster Linie an den hohlen Knochen liegt –, ist er ein äußerst kräftiger Vogel. Während große irdische Vögel – so etwa der Adler – einen Anlauf ne h men müssen, wenn sie vom B o den aus starten, kann der Tarn mit seiner unglaublichen Muskulatur sich und se i nen Reiter mit einem Sprung und einem schnellen Zu c ken der riesigen Flügel in die Luft heben. Dabei kommt ihm natürlich auch die geringere Schwerkraft Gors zug u te. Von den Goreanern werden diese Vögel auch als die ›Brüder des Windes‹ bezeichnet.
Der Federschmuck der Tarns ist unterschiedlich, und sie werden auch auf ihre Färbung hin gezüc h tet und nicht nur auf ihre Stärke und Intelligenz. Schwarze Tarns kommen bei nächtlichen Überfällen zum Einsatz, weiße bei Winterfeldzügen, und vielfarbig schillernde Tarns werden von Kriegern bevorzugt, die Eindruck
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