GOR-Zyklus 01 - Gor - die Gegenerde
sicher, daß ich noch bei Sinnen war. Ich steckte den Brief in meinen Rucksack. Ich mu ß te sofort in die Stadt zurück. Ich wu ß te nicht, wieviel Zeit mir blieb, aber wenn es einige Stunden waren, kon n te ich vielleicht noch eine Landstraße, einen Fluß oder eine Hütte erreichen.
Ich sah mich unruhig um. Irgendwie hatte ich das G e fühl, beobachtet zu werden – ein unschöner G e danke. Ich zog Stiefel und Mantel an, schnürte mein Bündel und trat das Feuer aus.
In der Asche schimmerte etwas. Ich bückte mich und nahm den Ring auf. Er war warm vom Feuer, doch er war hart und real – ein Stück Wirklichkeit. Er existierte. Ich ließ ihn in meine Manteltasche gle i ten.
Von dem unbestimmten Drang getrieben, das L a ger verlassen zu müssen, marschierte ich durch die Dunke l heit davon. Ich forderte das Unglück heraus, denn ich konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Ich hatte mich vielleicht zwanzig Minuten lang von Baum zu Baum g e tastet, als zu meinem Entsetzen Schlafsack und Bündel auf meinem Rücken in Flammen aufgingen. Mit hastiger Bewegung schleuderte ich das heiße Gebilde von mir. Es war, als starrte ich in einen Hochofen. Ich wußte, daß der Brief die Ursache für das Inferno war, und erscha u derte bei dem Gedanken, was geschehen wäre, wenn ich den Umschlag in der Manteltasche gehabt hätte.
Wenn ich heute darüber nachdenke, ist es eigen t lich seltsam, daß ich nicht Hals über Kopf geflohen bin. Vielmehr untersuchte ich die Überreste meines Schla f sacks mit einer kleinen Taschenlampe und stellte fest, daß sich der Umschlag anscheinend spurlos aufgelöst hatte. Ein unbekannter Duft hing in der Luft.
Ich überlegte, ob der Ring vielleicht auf ähnliche We i se aufflammen könnte, aber seltsamerweise b e zweifelte ich das.
War ich in dem Brief nicht ausdrücklich gebeten wo r den, den Ring zu tragen und den Brief fortzuwerfen? E i ne Warnung, die ich leichtsinnig in den Wind geschlagen hatte.
Jedenfalls hatte ich noch den Kompaß, der eine feste Bindung zur Wirklichkeit darstellte. Der lautlose Fla m menausbruch hatte mich verwirrt; ich wußte die Richtung nicht mehr. Mein Kompaß würde mir weiterhelfen. Doch als ich das Gerät öffnete, wollte mir das Herz stehenble i ben. Die Nadel fuhr wild im Kreis herum, als existierten die Naturgesetze plöt z lich nicht mehr.
Zum erstenmal seit meinem seltsamen Fund ve r lor ich die Nerven. Der Kompaß war mein Anker gewesen, me i ne Basis, auf die ich mich verlassen hatte. Ein lautes G e räusch ertönte – gewiß meine Stimme, ein plötzliches e r schrecktes Aufheulen, das mir immer schamvoll in Eri n nerung bleiben wird.
Im nächsten Augenblick raste ich wie ein entsetztes Tier davon.
Wie lange ich gelaufen bin, weiß ich nicht mehr. Vie l leicht einige Stunden lang, vielleicht auch nur Minuten. Unzählige Male stolperte ich und stürzte oder wurde von stechenden Kieferästen aufgeha l ten.
Der Mond ging auf und tauchte den Hang in sein kaltes Licht. Ich sank atemlos zu Boden. Zum erstenmal in me i nem Leben hatte ich ungezügelte Angst verspürt, der ich mich völlig ergeben hatte, wie einer Kraft, der man ke i nen Widerstand entgegensetzen kann. Ich mußte mich vor dieser Macht hüten. Ich sah mich um und erblickte das Felspl a teau, auf dem ich mein Lager errichtet hatte, und die Asche meines Feuers. Ich war zu meinem Lager zurückgekehrt.
Ich spürte die Erde unter mir, den Druck gegen meine schmerzenden Muskeln, den schweißüberströmten Kö r per. Und ich wußte, daß es gut war, Schmerz zu versp ü ren. Gefühle waren wichtig. Ich lebte.
Ich sah das Schiff herabsinken. Einen kurzen Moment sah es wie eine Sternschnuppe aus, dann trat es deutlich hervor – als eine breite, dicke Silbe r scheibe. Lautlos ging es auf dem Felsplateau nieder. Ein leichter Hauch fuhr durch die Nadeln am Boden, und ich stand auf. Im gle i chen Augenblick öf f nete sich lautlos eine Tür in der Flanke des Schiffes. Ich mußte es betreten. Die Worte meines Vaters kamen mir in den Sinn. »Du kannst De i nem Schic k sal nicht entgehen.« Ehe ich das Schiff betrat, blieb ich einen Augenblick stehen und nahm eine Han d voll grüner Erde auf, worum mich mein Vater gebeten hatte. Auch mir war es wichtig, etwas bei mir zu haben, das meine Heimat war. Erde von meinem Planeten, me i ner Welt.
2
Als ich ausgeruht erwachte, hatte ich keine A h nung, was seit Betreten des Schiffes mit mir geschehen war. Ich öffnete die Augen und erwartete fast,
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