GOR-Zyklus 04 - Die Nomaden von Gor
Mauer nahe dem Haupttor Turias, durch das ich vor vier Tagen die Stadt betreten hatte – an dem Morgen nach dem Abmarsch der Tuchukwagen.
Ich beobachtete den Wagen des Kaufmanns, ein schweres und breites Gefährt, dessen Planken weiß und golden angemalt waren, von einer weißgoldenen Regenplane bedeckt. Der Wagen wurde nicht von Tharlarions gezogen, wie es sonst bei den Händlern üblich ist, sondern von vier braunen Bosks.
»Wie willst du die Stadt verlassen?« fragte Dina.
»Mit Hilfe eines Seils«, sagte ich. »Und zu Fuß.«
Sie beugte sich über die Brüstung und schaute skeptisch nach unten.
»Es ist tief«, sagte sie. »Außerdem werden die Mauern nach Einbruch der Dunkelheit bewacht und sind von Fackeln erhellt. Und du bist zu Fuß – du weißt sicher, daß wir in der Stadt auch Jagdsleen haben.«
»Ja.«
»Schade, daß du keine schnelle Kaiila hast, mit der du am hellichten Tage an den Wächtern vorbeigaloppieren könntest.«
»Du darfst die Tarnreiter nicht vergessen …«
»Richtig«, sagte sie.
Nein, ein Tarnkämpfer hatte keine Mühe, einen einzelnen Mann, der zu Fuß unterwegs war, auf der Ebene aufzuspüren – auch wenn es einig Zeit dauern mochte, die Söldner aus den Bädern, den Pagatavernen oder den Spielhöllen der Stadt herbeizurufen, wo sie zur Freude der Turianer ihren Sold durchbrachten. Nachdem ihre Mission nun beendet war, würde Ha-Keel wahrscheinlich in einigen Tagen seine Männer zusammenrufen und mit ihnen die Stadt verlassen.
Allerdings konnte ich nicht so lange warten.
Der schwere Wagen war nun in der Nähe des Haupttors und wurde herangewinkt.
Ich blickte über die Prärie und dachte an Kamchak. Im Grunde hatte er weise gehandelt – er hatte sich vor einer Situation zurückgezogen, in der wenig zu gewinnen und viel zu verlieren war. Die Wagen und die Bosks waren nun einmal schlecht zu verteidigen. Aber wie sehr mußte ihn der Abzug geschmerzt haben, die Tatsache, Kutaituchik nicht rächen zu können und dem triumphierenden Turia den Rücken kehren zu müssen, der Stadt der hohen Mauern und der neun Tore, der unbesiegten Festung der Prärien.
Mein Gedankengang wurde durch Lärm unterbrochen, der jetzt unten am Tor aufklang. Wächter brüllten wütend, der Fahrer des Handelswagens schrie protestierend. Amüsiert stellte ich fest, daß das rechte Hinterrad des breiten, schweren Wagens von der Achse glitt und daß sich nun das ganze Gefährt, das offensichtlich schwer beladen war, zur Seite neigte. Im nächsten Augenblick berührte die Achse den Boden und grub sich tief ein.
Ich bedauerte den armen Fahrer, der vom Kutschbock gesprungen war und nun neben dem umgestürzten Rad stand und heftig gestikulierte. Unsinnigerweise stemmte er dann die Schulter unter den Wagen und versuchte ihn anzuheben – was natürlich unmöglich war.
Mehrere Wächter sahen amüsiert zu, und auch einige Passanten blieben stehen und genossen das Unglück des Fahrers. Dann befahl der wachhabende Offizier, fast außer sich vor Wut, seinen amüsierten Männern, dem Mann zu helfen. Aber auch das fruchtete nichts; der Wagen war zu schwer. Offenbar mußte man nach Hebeböcken schicken.
Ich wandte mich nachdenklich ab und schaute über die Prärie. Dina beobachtete weiter das Durcheinander unter uns und lachte, denn der Fahrer schien völlig außer sich zu sein. Plötzlich bemerkte ich draußen am Horizont eine feine Staublinie, die vor wenigen Minuten noch nicht vorhanden gewesen war.
Selbst die Wächter auf den Mauern schienen ausschließlich den umgekippten Wagen am Tor zu beobachten.
Ich schaute wieder hinab. Der Fahrer war ein junger Mann. Er hatte blondes Haar und kam mir irgendwie bekannt vor.
Plötzlich fuhr ich herum und griff nach der Brüstung. Die Staubwolke war größer geworden. Sie näherte sich dem Haupttor Turias.
Ich umfing Dina mit den Armen.
»Was ist los?« fragte sie erstaunt.
Ich flüsterte ihr zu: »Du läufst jetzt sofort nach Hause und schließt dich ein. Geh nicht mehr auf die Straße!«
»Was meinst du …?«
»Stell keine Fragen! Du mußt gehorchen!«
»Du tust mir weh!« sagte sie.
»Bitte gehorche!«
Plötzlich blickte sie in die Ferne und sah ebenfalls den Staub. Ihre Hand fuhr an den Mund. Ihre Augen weiteten sich vor Angst.
»Du kannst nichts mehr dagegen tun«, sagte ich. »Lauf!«
Ich küßte sie heftig, drehte sie herum und stieß sie von mir. Sie stolperte einige Schritte und wandte sich um. »Was ist mit dir?« rief sie.
»Lauf!« befahl
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