GOR-Zyklus 12 - Die Bestien von Gor
Lanzen wie Nadeln in die Flanke des Tiers; immer wieder stachen sie zu.
Das Fleisch des Wals bebte, ließ Wasser aufspritzen. Ich fürchtete schon, daß unser Boot eingedrückt werden könnte.
Das Wesen ächzte.
»Haltet die Leine fest!« rief Imnak.
Ich griff danach, hielt fest und zerrte und hielt das Umiak an der Flanke des Riesenfisches, damit die F i scher weiter zustechen konnten.
Im nächsten Augenblick verschwand das Auge des Tiers unter Wasser. Ich sah die Schwanzflossen empo r zucken.
»Loslassen!« schrie Imnak.
Ich warf die Leine über Bord.
Die Schwanzflosse ragte hoch über uns auf, der Kö r per des Tiers stand beinahe senkrecht. Die Lederleine verschwand unter Wasser. Das Tier war fort.
»Jetzt warten wir ab«, sagte Imnak. »Dann fängt alles wieder von vorne an.«
Es schien sehr ruhig zu sein auf dem Meer. Man kon n te sich kaum vorstellen, daß wir durch die dünne Leine mit dem Riesengeschöpf tief unter uns verbunden waren. Ringsum trieb Eis im Wasser. Der Wind wehte den Atem des Monstrums auseinander, löste den Dunst langsam auf.
Über der felsigen Küste, die sich eine halbe Pasang hinter uns erstreckte, zeichnete sich das ständige Lager ab; darüber stand Rauch. Ich fror erbärmlich. Wenn wir ins Lager zurückkehrten, würde ich als erstes heißen Tee trinken.
19
»Aja! Aja!« sang die Frau.
Ich biß in das gebratene Fleisch. Neben mir saß Imnak mit untergeschlagenen Beinen. Er kaute rohen Speck, dessen Fett ihm zu beiden Seiten des Mundes herablief. Er wischte sich das Gesicht mit dem Ärmel ab.
Das Festhaus war voll. Etwa vierzig Männer und Frauen drängten sich in dem Gebäude.
Imnak und ich waren mit den Mädchen schon sehr früh in den Norden gekommen. Wochenlang hatten wir im stä n digen Lager gewartet. Es war noch leer gewesen. Im Frü h herbst waren schließlich mehrere Familien eingetro f fen, um die vor ihrer Wanderung verlassenen Unte r künfte wieder einzunehmen. So ergab es sich nun, daß wir g e nausogut mit dem Volk hätten nach Norden ziehen können, mit den ve r schiedenen Gruppen, die sich in ihre ständigen Winterqua r tiere begaben. Mit meiner Eile hatte ich nichts erreicht. Wir hatten gejagt und gefischt und uns mit den Sklavinnen vergnügt; ansonsten hatten wir nur gewa r tet.
»Ich hatte nicht erwartet, daß Karjuk ein leeres Lager aufsuchen würde«, sagte Imnak, »aber ich wußte es nicht genau. Folglich bin ich mit dir in den Norden gezogen.«
»Das Lager ist nicht mehr leer«, stellte ich fest.
Imnak zuckte die Achseln. »Da hast du recht.«
»Wo ist Karjuk?«
»Vielleicht kommt er.«
»Und was ist, wenn er nicht erscheint?«
»Dann kommt er nicht«, sagte Imnak.
Die Wochen gingen ins Land, und ich war immer u n ruhiger geworden.
»Machen wir uns auf die Suche nach Karjuk«, sagte ich.
»Wenn die Eis-Ungeheuer Karjuk nicht aufspüren«, antwortete Imnak, »wie wollen wir ihn finden.«
»Was können wir tun?«
»Wir können warten«, sagte er.
Und wir hatten gewartet. Und gesungen.
Die Gesänge der rothäutigen Jäger sind ihr ureigenstes Werk. Man geht davon aus, daß sich jeder Mann und jede Frau eigene Lieder zurechtlegt, so wie man auch erwa r tet, daß jeder schnitzen und jagen kann. Die Lieder dieses Volkes sind im allgemeinen sehr schlicht, doch einige auch sehr schön und sogar anrührend. Die Jäger begleiten sich dabei auf einer großen, mit Tabukleder bespannten Trommel, die, auf den Holzrahmen geschlagen, eine sel t same Resonanz erbringt.
Ein Mann stimmte ein Lied über das Kajakbauen an, eine Hymne an Leder, Holz und Sehnen, mit denen er arbeitete und die ihn im Polarmeer nicht im Stich lassen durften. Jemand anders ließ ein Sleenlied folgen, eine Ermutigung an das Tier, dorthin zu schwimmen, wo der Jäger es treffen kann. Das dritte Lied drehte sich um e i nen jungen Schurken, der eigentlich auf die Tabukjagd gehen sollte, sich aber statt dessen hinlegte und seine Stiefel an einem Felsen abschabte und seinen Gefährten später mitteilte, er habe vergeblich gejagt. Nach den Bl i cken zu urteilen, die durch den Saal geschickt wurden, war dieser junge Mann sogar anwesend. Später sangen zwei Frauen, die eine über das Sammeln von Vogeleiern in ihrer Jugend, die andere über die Freude beim Anblick eines Verwandten, den sie seit über zwei Jahren nicht mehr gesehen hatte.
Ich werte es als recht positiv, daß die rothäutigen Jäger Lieder erfinden. Sie sind nicht so kritisch wie andere Völker. Für sie ist es
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