GOR-Zyklus 12 - Die Bestien von Gor
kann den Himmel einfangen«, sagte ich. »Kein Lied kann die Berge umfassen, die ganze Welt. Sie bestehen außerhalb der Welt, wie Liebende, und s a gen ihr, wie schön sie ist.«
»Ich kann nicht singen«, sagte er und wandte sich ab.
Aus dem Festhaus tönte Gelächter herüber. Über dem Polarmeer standen die Sterne. Die Dämmerung des pol a ren Winters hatte bereits eingesetzt.
Die Überreste des mächtigen Hunjerwals lagen am Strand, ein Großteil war bereits zerteilt worden, viele Knochen hatte man verarbeitet.
»Die Fleischgestelle sind voll«, sagte ich. Meine Wo r te galten den hohen Holzgebilden, die da und dort im Lager standen.
»Ja«, sagte Imnak.
Vor zwei Wochen war es uns gelungen, einen Barte n wal zu erlegen. Daß in einer Jagdsaison zwei Wale get ö tet werden konnten, war ein seltenes Fangglück. Manc h mal vergingen zwei oder drei Jahre, ohne daß überhaupt ein Wal gesichtet wurde.
»Es ist gut«, sagte Imnak und betrachtete die Fleisc h gestelle. »Vielleicht müssen die Familien in diesem Wi n ter nicht aufs Eis.«
Die Jagd auf dem Eis kann gefährlich sein. Durch Wind und Gezeiten getrieben, kann sich das Terrain ve r schieben, aufbäumen oder sogar brechen.
Die Sonne stand unter dem Horizont. Lachen schallte aus dem Festhaus.
Die Polarnacht ist natürlich nicht völlig dunkel. Die goreanischen Monde und sogar die Sterne verbreiten Licht, das von Schnee und Eis reflektiert wird und mehr als ausreichend ist, um sich zurechtzufinden. Doch s o bald Wolken oder Stürme aufziehen, ist es mit dem Licht natürlich vorbei. Dann müssen die Jäger drinnen bleiben und sich mit dem Toben des Sturms abfinden.
»Ich kann mich nicht erinnern, daß die Gestelle schon einmal so schwer beladen waren«, bemerkte Imnak.
»Kein Wunder, daß die Stimmung im Festhaus so gut ist«, sagte ich.
Außer den Walen waren noch viele Sleen und Fische gefangen worden. Darüber hinaus hatten die Familien auf dem Wege nach Norden soviel Tabukfleisch mitg e schleppt, wie sie tragen konnten. Sogar die Kinder hatten mitgeholfen. Zu der Fracht gehörten auch Eier und Be e ren und zahlreiche andere Güter und Leckereien, Dinge des Sommers, allerdings nicht ausschließlich für die Speisekammer – es waren auch Horn und Sehnen, Kn o chen und Felle darunter.
Die Sonne würde ein halbes Jahr lang nicht mehr zu sehen sein. Sie würde mir fehlen.
»Ich glaube, wir haben genug zu essen für den Wi n ter«, sagte Imnak.
Ich betrachtete die hohen Fleischgestelle, die zum Teil über zwanzig Fuß hoch waren, um das Fleisch vor dem Angriff der Sleen, der gezähmten wie auch der wilden Sleen, zu schützen. Im Laufe des Winters, wenn die Schnee-Sleen keine Leems mehr fangen, rückten sie in Rudeln immer näher an die Lager heran, und das konnte gefährlich werden.
»Selbst wenn wir genug zu essen haben für den Wi n ter«, sagte ich, »muß ich bald aufbrechen, wenn Karjuk nicht bald kommt, auch wenn das zur Folge hat, daß ich in der Polarnacht aufs Eis muß.«
»Bleib im Lager!« forderte Imnak mich auf.
»Du brauchst mich nicht zu begleiten, mein Freund.«
»Sei kein Dummkopf, Tarl, der mit mir jagt«, sagte er.
»Du kannst bei deinen Freunden bleiben, die sich im Festhaus vergnügen.«
»Habe keine schlechte Meinung von meinem Volk«, gab er zurück, »weil es gern lacht und sich Geschichten erzählt und singt. Die Jäger haben nicht immer ein ang e nehmes Leben.«
»Verzeih mir«, sagte ich.
»Im Festhaus gibt es keinen meines Volkes, so er e r wachsen ist, der nicht mindestens eine Periode schlechter Jagdbeute durchmachen mußte«, sagte er. »Die Kinder wissen davon noch nichts, wir erzählen es ihnen nicht.«
Ich wußte, daß die rothäutigen Jäger ihre Kinder sehr großzügig behandelten. Sie schalten sie selten und schl u gen sie fast nie. Sie schützten ihre Kleinen so gut sie konnten. Früh genug würden die Kinder erfahren, was das rauhe Gor für sie bereithielt. Bis dahin sollten sie Kinder bleiben.
»Nicht wenige Erwachsene meines Volkes haben schon Angehörige des Volkes verhungern sehen«, fuhr Imnak fort. »Oft ist das nicht der Fehler unserer Leute. Es kommt eine Krankheit oder schlechtes Wetter. Manchmal gibt es ein Unwetter, und der Schnee deckt die Atemlöcher des Sleen zu.« Er sprach sehr leise. »Manchmal gibt es auch Unfälle. Ein Kajak wird zerri s sen, man stürzt. Zuweilen bricht auch das Eis. Nein, habe keine schlechte Meinung von meinem Volk. Laß sie l a chen und fröhlich sein.
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