GOR-Zyklus 18 - Die Blutsbrüder von Gor
Watonka schaute in südöstlicher Richtung zum Himmel empor. Zu seinen Füßen steckte ein dünner Stock im Boden. Ringsum waren zwei Kreise in den Staub gezeichnet, ein kleiner und ein großer. Am Morgen, wenn die Sonne hoch genug stand, um einen Schatten zu werfen, reichte dieser Schatten vermutlich bis zum Außenkreis. Zur Mittagszeit würde die Sonne ihren kürzesten Schatten werfen, der dann innerhalb des Innenkreises enden mußte. Begann sich der Schatten wieder auszudehnen, hatte die Sonne ihren höchsten Punkt überschritten. Ich schaute zur Sonne empor und dann auf den Stock und seinen Schatten. Meiner Schätzung nach war es noch eine halbe Ahn bis zur Mittagszeit.
Im deutlichen Gegensatz zu den drei Kriegern, die ich für Gelbmesser hielt, war Watonka nervös. Er schaute auf die Krieger und dann wieder in den Himmel. Es war ein heller, klarer Tag. Unweit der Männer standen auch Bloketu und Iwoso. Bloketu schien sich ebenfalls unbehaglich zu fühlen. Dagegen machte Iwoso wie die drei fremden Krieger einen gelassenen Eindruck. Diese sechs Gestalten – wie auch etliche andere Isanna-Krieger, die in der Nähe warteten, hatten sich mit gelben Schärpen geschmückt, die von der linken Schulter zur rechten Hüfte führten. Vermutlich sollten diese gelben Tücher sie als Mitglied der Friedensgruppe identifizieren und schützen. Die gelben Streifen mochten darüber hinaus eine Medizinwirkung haben, wie sie möglicherweise einem Beteiligten im Traum eingefallen war.
Ich wußte nicht, ob man Bloketu zur Ratsversammlung zulassen würde. Normalerweise haben Frauen an solchen Orten keinen Zutritt. Die roten Wilden hören sich zwar oft aufmerksam an, was ihre freien Frauen zu sagen haben, und begegnen ihnen ehren- und respektvoll, doch verzichten sie auf kein Quantum ihrer Oberherrschaft. Sie allein treffen alle Entscheidungen. Sie sind die Männer. Die Frauen gehorchen. Von Iwoso dagegen nahm ich an, daß sie im Ratszelt unentbehrlich sein würde. Wahrscheinlich war sie im Lager die einzige Person, die die Gelbmesser- und Kaiila-Sprachen fließend beherrschte. Interessanterweise trug sie ein dünnes, geschmeidiges Seil zusammengerollt an der Hüfte. Nach der Sonne und dem Schatten des Stocks zu urteilen, hätten sich Watonka und seine Begleiter längst auf den Weg zum Ratszelt machen müssen. Soweit ich wußte, sollte der Rat zur Mittagszeit zusammentreten. Mir fiel außerdem auf, daß die Art und Weise, wie die Männer ihre gelben Schärpen gebunden hatten, ihnen die größte Bewegungsfreiheit des Waffenarms gewährte, sollten sie Rechtshänder sein.
»Bloketu«, sagte ich und trat vor das Mädchen hin.
»Herrin!« forderte sie.
»Herrin.«
»Warum kniest du nicht nieder?«
Ich fiel auf die Knie. »Ich möchte bitte mit dir sprechen«, sagte ich.
»Es war dein Herr Canka«, sagte sie tadelnd, »der heute früh Mahpiyasapa umbringen wollte.«
»Kann ich dich mal sprechen?«
»Ja.«
»Allein.«
Iwoso warf mir einen scharfen Blick zu.
»Du kannst vor meiner Zofe sprechen«, sagte Bloketu. »Warum auch nicht? Warum sollte sich ein Sklave nicht vor einer anderen Sklavin äußern können?«
»Verzeih mir, Herrin«, sagte ich. »Vielleicht bin ich ein Dummkopf und ein Narr.«
»Das erscheint mir nicht unwahrscheinlich.«
»Aber ich habe Grund zu der Annahme, daß die drei Männer bei deinem Vater, die Gelbmesser, nicht das sind, was sie zu sein vorgeben.«
»Was meinst du?«
»Ich glaube, sie sind nicht Zivilhäuptlinge der Gelbmesser, sondern möglicherweise Kriegshäuptlinge.«
»Lügnerischer Sklave!« fauchte Iwoso, stürzte sich auf mich und schlug zu. Sofort schmeckte ich Blut in meinem Mundwinkel.
»Was geht hier vor?« fragte Watonka und blickte uns an.
»Dieser Sklave ist ein amüsanter Dummkopf«, sagte Bloketu lachend. »Er meint, unsere Gäste wären nicht Zivilhäuptlinge der Gelbmesser, die bald unsere Freunde sein werden, sondern Kriegshäuptlinge.«
Die Worte wurden den Gelbmessern von Iwoso übersetzt. Ihre Mienen blieben unbeweglich.
»Das ist absurd!« rief Watonka und sah sich hastig um. »Ich verbürge mich persönlich für diese Männer.«
»Du kannst unmöglich solche Informationen haben«, sagte Bloketu zu mir.
»Im Lager gibt es eine Sklavin«, sagte ich, »ein blondes Mädchen, das früher im Eigentum von Gelbmessern stand. Sie hat die Männer erkannt. Von ihr habe ich meine Informationen.«
»Sie muß sich offenkundig irren«, sagte Bloketu. Unser Gespräch wurde den
Weitere Kostenlose Bücher