GOR-Zyklus 23 - Die Verräter von Gor
ihm. »Behalte sie«, sagte ich. »Eines Tages flattert sie vielleicht wieder im Wind.«
Tränen glitzerten in seinen Augen.
»Kehre zu deinen Kameraden zurück«, sagte ich. »Achte auf mein Signal. Ich werde mich hinter die Plattform stellen und es von dort aus geben.«
Er eilte fort.
Ich blickte über den Rand der Plattform. Der Schütze hatte sich zu seinen Kameraden gesellt. Er stand in der letzten Reihe.
Sein Gefährte stand auf der anderen Seite; er hatte sich in die Flagge gehüllt.
Es war wichtig, den Rückzug auf beiden Wehrgängen aufeinander abzustimmen, damit er geordnet durchgeführt wurde und es zu keinen Flankenangriffen kam. Ich glaubte, den Männern etwas Zeit verschaffen zu können, indem ich den Cosianern scheinbar eine erstrebenswerte Trophäe anbot: die Gefangennahme des Mauerkommandanten. Ich ging davon aus, daß sie in Anbetracht der an diesem Nachmittag erlittenen Verluste daran interessiert waren.
Unten ertönte das Pochen des Rammbocks; in die dröhnenden Schläge mischten sich die unverkennbaren Geräusche brechenden Holzes und zerspringender Eisenbeschläge.
Ich stieg die Treppe hinunter und eilte hinter die Plattform. Wie überall lagen auch hier Tote und Verwundete, sowohl Angreifer als auch Verteidiger. Ein verwundeter Cosianer sah mich und versuchte, auf die Beine zu kommen. Er war blutüberströmt. Sein Bart war blutverkrustet. Seinen Helm hatte er verloren. Er konnte kaum die Klinge heben.
»Wie stehen die Dinge in Cos?« fragte ich.
»Gut«, antwortete er.
»Leg die Klinge nieder«, schlug ich vor.
Er überlegte einen Moment lang und zuckte dann mit den Schultern. Er konnte sie kaum halten.
Ich trat sie ihm aus der Hand.
»Es scheint, als gehörte der Tag euch«, sagte ich.
»Das ist wahr«, flüsterte er.
»Ruh dich aus.«
Er taumelte gegen die Mauer der Plattform, nicht weit von den Sklavenringen entfernt.
Von links und rechts drang das helle Klingen aufeinandertreffender Schwerter und das dumpfe Krachen von Eisen auf Schilder an meine Ohren. Ich drehte mich langsam einmal nach jeder Seite um und vergewisserte mich, daß meine beiden Boten mich sahen. Dann hob ich das Schwert in die Höhe und senkte es wieder. Sofort begannen die Verteidiger mit dem geordneten Rückzug, die hintersten Reihen machten den Anfang, die vorderste Reihe wich kämpfend zurück. Beide Seiten hielten auf die Treppen zu, die am nächsten waren, die beiden Tortreppen, die sich westlich und östlich des Tores befanden. Ihre Stufen waren schmaler als der Wehrgang und konnten daher von weniger Männern gehalten werden.
»He, ihr da!« rief ich den Cosianern zu und schwenkte das Schwert. Soldaten zeigten auf mich. Ich hatte keinen Zweifel, daß mich zumindest einige von ihnen auf der Plattform gesehen hatten und sich zusammenreimten, daß ich die Befehle auf der Mauer gegeben hatte.
Ich schob das Schwert in die Scheide.
Es muß so ausgesehen haben, als wären meine Fluchtwege abgeschnitten, als säße ich zwischen beiden Treppen fest. Außerdem hatte ich die Waffe weggesteckt. Bedeutete das nicht, daß ich mich in der Falle wähnte, was tatsächlich der Fall zu sein schien, daß ich mich aus diesem Grund entschlossen hatte, keine Gegenwehr zu leisten, sondern mich zu ergeben?
Beinahe gleichzeitig stürmten auf beiden Seiten etwa zwei Dutzend Cosianer los. Andere blieben auf Höhe der Treppen stehen, um sich die Angelegenheit nicht entgehen zu lassen. Das würde einigen Druck von den umkämpften Treppen nehmen. Der Rückzug meiner Verteidiger würde sich einfacher gestalten und ihnen die nötige Zeit verschaffen, um Tore zu schließen und Gänge abzuriegeln.
Mit dem Fuß stieß ich die Taurolle am Rand des Wehrgangs in die Tiefe, bückte mich und kletterte so schnell wie möglich nach unten. Ich rutschte das Seil nicht hinunter, da meine Hände ungeschützt waren. Schon zwölf Meter reichen aus, um einem die Haut von den Händen zu brennen. Es kann durchaus zur Folge haben, daß man wochenlang ein hilfloser Krüppel ist. Unter bestimmten Umständen mag das ein akzeptabler Preis sein, aber nicht, wenn man damit rechnen muß, bald wieder ein Schwert zu führen.
Auf dem Hof lag ein Hügel aus Trümmern, Sand und Gestein, und sobald ich ihn erreichte, eilte ich rutschend und springend hinunter, wobei ich mich noch immer an dem Seil festhielt. Erst als ich den Boden des Innenhofs erreicht hatte, wagte ich einen Blick in die Höhe, um festzustellen, ob sich oben auf dem Wehrgang
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