Gordon
ihn ratlos ansah, riss er mich noch einmal schmerzhaft an den Haaren. »Los, reden Sie!«
Und so erzählte ich, was mir gerade einfiel, während er mit geschlossenen Augen dalag und ich nicht erkennen konnte, ob er zuhörte oder schlief; aber jedes Mal, wenn ich sagte: »Jetzt ist mein Kopf völlig leer«, sagte er: »Lassen Sie Ihre Gedanken schweifen. Reden Sie einfach weiter. Wie ein Wasserfall.«
Es waren vielleicht zwanzig Minuten vergangen, als er sagte: »Das genügt. Jetzt schlafen Sie weiter.«
Mit der Zeit gewöhnte ich mich an diese bizarre Prozedur, die sich etwa einmal die Woche wiederholte. Manchmal erinnerte ich mich an Ereignisse, die in sich abgeschlossen waren, richtige Geschichten, aber zumeist sprang ich von Gedanke zu Gedanke. Anfangs meinte ich, es sei so, als folgte man dem Lauf des Mäanders durch Phrygien, seinen Kurven und Schleifen und endlosen Windungen; aber bald erkannte ich, dass es ganz und gar nicht so war, denn nach einer Weile wird der Verlauf dieses Flusses vorhersagbar, während ich in meinen Gedanken keinerlei Muster erkennen konnte. Gordon unterbrach mich nie und stellte auch nie irgendwelche Zwischenfragen, und wenn ich protestierte, das sei alles »purer Blödsinn«, sagte er: »Nur für Sie, mein armes Kind. Nicht für mich. Weiter. Reden Sie.«
Während dieser nächtlichen Monologe erfreute ich mich völliger Bewegungsfreiheit. Ich konnte mich um seinen Körper drapieren, wie immer es mir behagte, oder ich ließ ihn die Knie anziehen und benutzte seine abschüssigen Beine als Lehne, gegen die ich meine Brüste oder Schultern stützen konnte. Bei diesen Gelegenheiten war er außerordentlich geduldig. Nie beklagte er sich, ich lastete zu schwer auf ihm oder ich presste mein Kinn zu schmerzhaft in seine Brust.
An dem Nachmittag, an dem ich Gordon meinen Traum vom Belgrave Park Hotel erzählte, hätte ich nicht gedacht, dass er die Natur meiner Gefühle für Derek O’Teague auf Anhieb durchschauen würde. Aber selbst, als er sie sofort durchschaute und ich befürchtete, er könnte mir verbieten, Derek je wieder zu sehen, kam mir nicht für einen Augenblick die Möglichkeit in den Sinn, er könnte sich von mir abgestoßen fühlen und beschließen, seine Beziehung zu mir zu beenden; dies lag daran, dass ich aus anderen, vergleichbaren Erfahrungen wusste, dass Gordon ein Mann war, den »nichts abschrecken konnte«.
Als ich beispielsweise zum vierten Mal mit Gordon ausging, aßen wir in einem französischen Restaurant in der Old Compton Street zu Abend und kehrten dann zurück zum Portman Square. Ein paar Schritte bevor wir seine Haustür erreichten, warf ich den Kopf zurück und sagte, was ich mir den ganzen Abend lang aufgespart hatte: »Wenn Sie möchten, komme ich mit herein, und wir können uns unterhalten. Aber mehr geht nicht, denn ich habe ›den Fluch‹.«
Das war zwar die Wahrheit, aber ich triumphierte innerlich darüber, denn ich war mir sicher, dass er enttäuscht sein würde.
In meinen Augen machte die Monatsblutung eine Frau absolut unberührbar; der Sache haftet etwas Majestätisches an, das sogar im Slang-Ausdruck »Fluch« zum Ausdruck kommt – einem Wort, in dem ein aus Urzeiten nachhallendes, Angst und Ehrfurcht gebietendes Echo mitschwingt.
Während meiner Ehe und meines einjährigen Zusammenlebens mit Reggie Starr hatte mich diese Periode jedes Mal von der Pflicht zu jeglichem zärtlichem Kontakt befreit, und meine Freundinnen hatten mir beigebracht, die Ausrede, man habe seine Monatsblutung, als die einfachste Methode anzuwenden, einen Mann »abzuwimmeln«.
Doch kaum hatte sich mein Triumph emporgeschwungen, als er auch schon zu Boden geschmettert wurde.
»O, ich mag menstruierende Frauen«, sagte Gordon.
Ich blieb ungläubig stehen und beäugte sein düsteres Profil.
»Na los, trödeln Sie nicht«, sagte er, ohne seinen Schritt zu verlangsamen.
»Sie meinen, Sie werden es tun?«, fragte ich, als ich ihn eingeholt hatte.
»Sicher«, sagte er.
»Aber das ist unmöglich!«, rief ich aus. »Erstens für die Frau. Und dann auch für den Mann.«
»Warum?«, fragte er und steckte seinen Schlüssel in das Schlüsselloch.
»Ich werde verbluten«, behauptete ich aus dem Stegreif.
»Das Risiko gehe ich ein«, sagte er.
»Und ich werde eine Blutvergiftung bekommen«, fügte ich hinzu, »weil ich innen ganz offen und wund bin.« Auch das hatte ich einfach erfunden. Wie alle meine Freundinnen hatte ich von jeher als selbstverständlich angenommen,
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