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Gordon

Gordon

Titel: Gordon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Templeton
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sehr junger Mann aus. Er ist der bestaussehende Mann, den ich in meinem ganzen Leben gesehen habe.«
    »Ich habe Sie nicht gefragt, wie er aussah«, sagte Gordon, »ich habe Sie gefragt, wie alt er war.«
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich, »er hat es mir nie explizit gesagt. Und es ist schwer zu sagen, weil er Make-up trägt. Aber er hat nichts Weibisches an sich, er ist Filmschauspieler. Schauspieler schminken sich eben.« Und ich schlüpfte aus den Schuhen und zog die Beine unter mich, wie ich das häufig tat, wenn ich auf dem Sofa saß.
    »Nehmen Sie die Beine runter, und setzen Sie sich anständig hin!«, sagte Gordon mit einer vor Wut tonlosen und angespannten Stimme.
    Ich stellte die Füße auf den Boden und setzte mich aufrecht hin.
    »Wie alt ist er?«, fragte er. »Sie sagen, Sie wüssten es nicht. Aber Sie haben eine ziemlich genaue Vorstellung davon.«
    »Na ja«, sagte ich, »nach dem zu urteilen, wie er über die Zeit vor dem Krieg sprach und was er in den Zwanzigerjahren getan hatte und wo er gewesen war, beispielsweise – «
    »Weiter«, sagte Gordon mit vor Wut schneidender Stimme.
    »Er sagt, er besitze ewige Jugend und Schönheit«, sagte ich trotzig.
    »Ja, mit Make-up«, sagte Gordon.
    »Aber er sieht wirklich hinreißend aus«, sagte ich.
    »Behaupten Sie«, sagte Gordon.
    Ich sagte schmollend: »Als ich ihn kennen lernte, muss er wenigstens fünfzig gewesen sein.«
    »Das ist schon besser«, sagte Gordon. Er schwieg eine Weile. Dann sagte er: »Jetzt sagen Sie mir: Als Sie ihn kennen gelernt haben, sind Sie da am selben Tag mit ihm ins Bett gegangen?«
    »Nein, natürlich nicht«, sagte ich empört.
    »Warum ›natürlich nicht‹?«, fragte er.
    »Ich weiß nicht. Es ergab sich einfach nicht.«
    »Aber wo er doch so schön war?«, sagte Gordon.
    »Ja, aber trotzdem«, sagte ich. »Irgendwie – es war nicht – ich habe einfach seine Gesellschaft genossen.«
    »Und dann, sagen Sie, haben Sie ihn vor einem Jahr wieder gesehen«, bemerkte Gordon. »Wo war das? In Deutschland?«
    »Nein«, sagte ich, »in London. Als ich auf Urlaub war.«
    »Und dann haben Sie mit ihm geschlafen, richtig?«, sagte er.
    »Ja, aber nur einmal.«
    »Warum das?«, fragte er. »Wollten Sie danach nicht mehr?«
    »Doch, natürlich wollte ich«, rief ich, »und wie!«
    »Warum ›natürlich‹?«, fragte Gordon. »Eben war es noch ›natürlich nicht‹ gewesen.«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Wie auch immer, mehr war nicht möglich. Ich musste am nächsten Tag zurück nach Hamburg. Mein Urlaub war zu Ende.«
    »Und jetzt sehen Sie ihn ziemlich häufig«, sagte Gordon.
    »Ja«, sagte ich.
    »Aber insgesamt haben Sie in all den Jahren nur ein einziges Mal mit ihm geschlafen«, bemerkte Gordon.
    »Woher wollen Sie das wissen?«, brauste ich auf. »Ich habe Ihnen doch gerade gesagt, dass ich ihn sehr häufig sehe, die ganze Zeit!«
    »Stimmt«, sagte Gordon. »Aber als Sie jetzt, im Juni, endgültig nach London kamen, sind Sie direkt in meine Fänge geraten. Und ich habe Sie seitdem ziemlich an der kurzen Leine gehalten, mein armes Kind.«
    Ich sagte: »Das bedeutet aber noch lange nicht, dass ich nicht mit ihm – … Manchmal sehen Sie mich zwei ganze Tage lang nicht.«
    »Mumpitz«, sagte er. »Ich brauche nur die Ringe unter Ihren Augen zu sehen, und ich weiß, woher sie kommen. Sie sind so empfindlich, dass man das sogar den ganzen nächsten Tag sieht.«
    »Sie wissen überhaupt nichts, und ich kann tun, was ich will!«
    »Das haben wir alles schon gehabt«, sagte Gordon. »Kommen Sie mir nicht mit diesem Schwachsinn, was Sie werden und können und was ich nicht werde und nicht kann! Wir werden schon sehen, was es mit dieser großen Liebe Ihres Lebens auf sich hat. Wie heißt er übrigens? Oder soll ich ihn fortan nur als die große Liebe Ihres Lebens titulieren?«
    »Derek O’Teague«, sagte ich.
    »Bühnen-Ire«, sagte Gordon.
    »Warum sollte er kein echter Ire sein?«, fragte ich bockig.
    »Warum sollte er ein echter was auch immer sein?«, sagte Gordon. »Als Sie ihn kennen gelernt haben, hatten Sie doch selbst Ihre Zweifel.«
    »Ich glaube, er ist Ire«, sagte ich.
    »Quatsch«, sagte Gordon. »Er ist so irisch wie diese ganzen echt irischen Lieder über mein kleines altes Mütterlein in Irland, die allesamt von polnischen Juden aus Krakau zusammengeschustert werden. Mir reicht’s. Jetzt gehen wir aus.«
    Wir gingen den Portman Square hinauf und weiter in die Baker Street zur Bushaltestelle. Ich war

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