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Gordon

Gordon

Titel: Gordon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Templeton
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wissen Sie das?«, rief ich aus. »Sie waren doch gar nicht dabei!«
    »Nicht?«, sagte Gordon. »Und dann deutete er an, er habe magische Kräfte. Was für magische Kräfte?«
    Ich sagte: »Wenn er wolle, sei er im Spiegel unsichtbar. Und eines Tages würde er es mir zeigen.«
    »Das habe ich auch schon gesehen«, sagte Gordon. »Ich habe Leute gekannt, die im Spiegel unsichtbar waren. Jeder sah ihr Spiegelbild, nur sie selbst nicht. Und ich habe auch die Leute gesehen, die im Besitz ewiger Jugend und Schönheit sind. Jede Klapsmühle ist voll davon, mein armes Kind.«
    »Aber er hat es nie ausdrücklich gesagt«, wandte ich ein, »beziehungsweise, wenn er es gesagt hat, hat er es gleich wieder zurückgenommen und gesagt, er meine es metaphorisch.«
    »Probiert lediglich, wie weit er gehen kann«, sagte Gordon. »In diesem Zustand wissen sie durchaus, mit wem sie können und mit wem sie nicht können. Was redet er denn so, wenn Sie ihn jetzt sehen?«
    »Klatsch aus der Filmbranche, wie jeder andere auch im Delmain’s – das ist das Cafe, in dem ich mich immer mit ihm treffe –, er ist immer mit Filmleuten zusammen.«
    »Und wenn er mit Ihnen allein ist?«, fragte Gordon.
    »Dann fängt er wieder mit der Magie an«, sagte ich. »Aber ich kann wirklich nicht sagen, ob er selbst daran glaubt.«
    »O doch, und ob«, sagte Gordon.
    »Aber er kann nicht verrückt sein«, sagte ich. »Er spielt demnächst die Hauptrolle in einem Film. Das zieht sich nur hin, weil der Produzent – wie auch immer, er soll ein sehr fähiger Schauspieler sein. Aber Schriftsteller ist er eigentlich nicht; das war Unsinn, was er mir erzählt hat. Er hat nur so einen armseligen Memoirenband geschrieben.«
    »Solche Leute können im Leben durchaus sehr erfolgreich sein«, sagte Gordon. »Er ist nicht in dem Sinne verrückt, dass man ihn einsperren müsste. Aber medizinisch gesprochen, ist er natürlich verrückt. Doch das ist das geringste Problem. Es ist alles so langweilig. Das kenne ich alles schon auswendig.«
    »Nun, ich fand es nicht langweilig«, sagte ich, »und ich kannte das nicht alles auswendig. Und er war so schön, ich konnte meine Augen nicht von ihm losreißen! Deswegen hat es keine besondere Rolle für mich gespielt, ob alles Unsinn war oder nicht. Und ich hatte weiterhin meine Zweifel, ob er wirklich Schriftsteller war, denn als ich ihn fragte, was er denn so schreibe, sagte er, das sei seltsames Zeug, und ließ es dabei bewenden.«
    »Und glaubten Sie, in ihn verliebt zu sein?«, fragte Gordon.
    »Nein«, sagte ich, »das ist das Komische daran. Es war nur so, dass er für mich etwas vollkommen Ungewohntes darstellte – wo ich doch in Leicester verheiratet war und immer nur Ingenieure sah, die über nichts anderes reden konnten als über Angeln und Schießen und Rennwagen –, können Sie das nicht verstehen?«
    »Und was passierte dann?«, fragte Gordon.
    Ich sagte: »Am nächsten Tag traf ich ihn noch einmal, zum Tee und zum Dinner. Und er sagte mir seinen Namen. Aber nicht seine Adresse. Ich gab ihm allerdings meine. Und er sagte, er würde mir schreiben. Und dann fuhr ich nach Leicester zurück, und er ließ nie wieder von sich hören. Und ich hatte nur seinen Namen, und ich glaubte, selbst der sei erfunden.«
    »Dann haben Sie also von Anfang an alles an ihm angezweifelt«, sagte Gordon. »Das ist sehr interessant.«
    »Und trotzdem, ich meine, es war nicht fair von mir«, sagte ich. »Zum Beispiel, wie er die Anspielung auf Tonio Kroger auf Anhieb verstanden hatte. Er kannte seinen Thomas Mann. Das ist mehr, als man von Ihnen sagen kann. Aber trotzdem – ich weiß nicht …«
    »Trotzdem haben Sie seinen Köder nicht geschluckt«, sagte Gordon. »Und doch, später – aber wir werden ja sehen.«
    Als Gordon mir an dem Abend befahl, mich auszuziehen und mich hinzulegen, zog ich mich zwar aus, legte mich aber nicht hin, sondern blieb vor dem Bett stehen. Wegen unseres Gesprächs an dem Nachmittag war ich in besonders aufsässiger Stimmung, und als er auf mich zukam, sagte ich: »Ihre Art, mich zu beschlafen, hängt mir zum Hals heraus. Immer das Gleiche, immer auf das Notwendigste beschränkt, und nie fällt Ihnen etwas anderes ein.«
    »Hinlegen«, sagte er ungerührt.
    Ich legte mich hin und breitete die Schenkel aus, so wie er es wollte. Es stimmte natürlich, dass er mich nie in einer anderen Position nahm, aber was ich sonst gesagt hatte, stimmte nicht. Ich wollte auf dem Rücken liegen, mit ihm über mir, und

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